Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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Beide Referenten sprachen sich in dem Sinne aus, daß die rus- 
sische Gesetzgebung völlige Freiheit der Meinungsäußerung, d.h. 
Unverantwortlichkeit im engen Sinne des Wortes anerkennt. 
Sodann ist in den September-, Oktober- und Novemberheften 
des „Journal des Justizministeriums“ ein umfangreicher Artikel 
A. von RaIson’s erschienen, in welchem der Verfasser zu diametral 
entgegengesetzten Schlüssen gelangt ?. 
Folglich muß die Frage auch jetzt noch als streitig gelten. 
Doch unterliegt die praktische Bedeutung derselben keinem Zwei- 
fel, sowohl wegen des lebhaften Temperaments der russischen 
Abgeordneten, als auch der äußerst gespannten Beziehungen 
zwischen der Regierung und den Öppositionsparteien. Die fol- 
genden Zeilen haben den Zweck, die Frage mit möglichster Unpar- 
teilichkeit von der rein juristischen Seite zu beleuchten. 
Il. 
Erstens ist genau festzustellen, worin die sogenannte ratio 
dubitandi besteht. 
Wie wir gesehen haben, sind im ÖOrganisationsgesetz der 
Reichsduma zwei Artikel vorhanden, die als sich gegenseitig 
ausschließend oder zum mindesten miteinander kollidierend auf- 
gefaßt werden können. Dieses sind Art. 14 und 22. Doch 
ist eine derartige Auffassung derselben nicht unbedingt not- 
wendig. Falls man auf Grund dieser oder jener Erwägungen 
anerkannt hat, daß der erste dieser Artikel das Prinzip der Un- 
verantwortlichkeit der Abgeordneten legalisiert, so kann und 
muß daraus der Schluß gezogen werden, daß Art. 22 keine Wort- 
delikte betrifft, sondern sich bloß auf andere verbrecherische 
Handlungen bezieht, die von Abgeordneten bei der Ausübung 
abdruck unter dem Titel „Ueber die Unverantwortlichkeit der Volksver- 
treter“, Jaroslaw 1909, erschienen. 
% „Ueber die besonderen Vorrechte der gewählten Mitglieder des Reichs- 
rates und der Mitglieder der Reichsduma.“ Wir zitieren nach dem Separat- 
abdruck, St. Petersburg 1909.
	        
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