Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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fall hervorgerufen war. Vom Finanzminister Grafen Gurjew war 
dem Reichsrat ein Projekt auf Einführung einer Erbschaftssteuer 
und Erhöhung diverser anderer Steuern vorgelegt worden. Dieses 
Projekt rief sehr hitzige Debatten hervor, wobei einige Mitglieder 
des Reichsrates sich in äußerst scharfer Weise über dasselbe 
aussprachen. Außerdem waren während der Verhandlung ver- 
schiedene Abweichungen von den Regeln der Geschäftsordnung 
zugelassen worden. Dieses lenkte die Aufmerksamkeit des Kaisers 
auf sich, der auf alle diese Unregelmäßigkeiten in seinem Re- 
skript hinwies, welches folgendermaßen schloß: „Ich habe es für 
nötig befunden, hier diese Bemerkungen zu dem Zweck zu machen, 
daß der Reichsrat, völlige Freiheit der Meinungsäußerung in den 
ihm vorgelegten Angelegenheiten genießend, doch die Bedeutung 
der Fragen genau prüfe, dabei vom Wesentlichen derselben nicht 
abweiche und, ohne sich nicht dahin gehörigen und unbestimm- 
ten Phantasien hinzugeben, seinen Beschlüssen wohlerwogene 
Urteile, nicht aber bloß vage Meinungen zugrunde lege, und 
endlich, daß in den Sitzungen dieser Körperschaft keine Indis- 
kretionen zugelassen werden, die sowohl dem Wesen derselben, 
als auch dem von ihren Mitgliedern geleisteten Eide widersprechen. 
Sie als Vorsitzender werden nicht ermangeln, auf ein genauestes 
Befolgen dieser Vorschriften von seiten der Kanzlei des Reichs- 
rates zu achten !?.“ 
Beim Ausarbeiten des Statutes des Reichsrates von 1842 
wurde ihm ein besonderer Artikel (89) hinzugefügt, der den 
Grundgedanken des erwähnten Reskriptes vollständig ausdrückte. 
Dieser Artikel, der auch im Statut des Reichsrates von 1857 
beibehalten wurde, lautete: „Der Reichsrat, völlige Freiheit der 
Meinungsäußerung in den ihm vorgelegten Angelegenheiten ge- 
nießend, hat die Bedeutung der Fragen aufs genaueste zu prüfen, 
dabei vom Wesentlichen derselben nicht abzuweichen und, ohne 
12 Der Reichsrat“ 1809—1901. Herausgegeben von der Staatskanzlei, 
St. Petersburg 1901, S. 31 ff.
	        
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