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sondern in seiner allgemeingebräuchlichen Bedeutung benutzt ist,
so muß daraus notwendigerweise der Schluß gezogen werden
daß der Art. 22 tatsächlich das Institut der Unverantwortlich-
keit kategorisch verneint. Bei der Ausübung ihrer Pflichten be-
finden sich Abgeordnete dann, wenn sie an den Sitzungen der
Kammern teilnehmen, Reden halten, Meinungen und Ansichten
äußern, votieren usw. Wenn für Verbrechen, die dabei von ihnen
begangen werden — hauptsächlich werden das natürlich Wort-
delikte sein — eine besondere Ordnung des Zurverantwortung
ziehen festgesetzt ist, so ist es klar, daß das Immunitätsprinzip
sich nicht auf dergleichen Delikte erstreckt. Auf diesem Stand-
punkte stehen auch diejenigen Autoren, welche es nicht für mög-
lich erachten, in dem Art. 14 eine Sanktionierung der Unver-
antwortlichkeit zu sehen °%.
Unsere Aufgabe ist es nun, den wahren Sinn des Ausdrucks
„bei der Ausübung oder aus Anlaß der Ausübung von Pflichten“
festzustellen und genau zu bestimmen, speziell welche verbreche-
rische Handlungen der Gesetzgeber im gegebenen Falle im Auge
hatte.
Zunächst müssen wir bemerken, dab die Bestimmung des
Art. 22 wörtlich im $S 4 des Art. 68 des Ürganisationsgesetzes
des Reichsrates wiederholt ist, in welchem die der Kompetenz
des Ersten Departements des Reichsrates unterstehenden Ange-
legenheiten aufgezählt werden. Hierher gehören: „Angelegen-
heiten, welche die Verantwortlichkeit für verbrecherische Hand-
lungen betreffen, die von den Mitgliedern des Reichsrates oder
der Reichsduma anläßlich der Ausübung ihres Berufes begangen
worden sind, und die Angelegenheiten, welche die Amtsvergehen
des Vorsitzenden des Ministerrates, der Minister, der Hauptchefs
der besonderen Verwaltungen, der Statthalter und Generalgou-
verneure, sowie die Vorgerichtstellung der übrigen höheren Staats-
32 Siehe oben.