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oder den Angeklagten vor Gericht zu stellen (Art. 92)°°. Der
Beschluß des Departements wird der Entscheidung des Kaisers
unterbreitet. Im Falle seiner Bestätigung wird dann vom Ober-
prokureur des Kriminalkassationsdepartements der Anklageakt
ausgearbeitet und dem Öbersten Kriminalgericht eingereicht
(Art. 95).
Die hier wiedergegebenen Artikel stellen eine beinah?® wört-
liche Reproduktion der Artikel 105— 113 des Statutes des Reichs-
rates von 1901 vor, denen wiederum die Gesetze von 1889 und
1891 zugrunde liegen ?’. Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese
Ordnung ausschließlich Amtsverbrechen betraf, welche
von Mitgliedern des Reichsrates und höheren Beamten der unter-
geordneten Verwaltung begangen waren. Das oberste Kriminal-
gericht besaß von Anfang an den Carakter einer hauptsächlich
für amtliche Rechtsverletzungen geschaffenen Gerichtsinstanz ®®,
Diesen Charakter hat es auch nach den Gerichtsverfassungen
von 1864 behalten ®. Die dem obersten Kriminalgericht nach
den Gerichtsstatuten von 1864 auferlegte Funktion eines Ge-
richtshofes für Staatsverbrechen (Art. 204 und 1030 der Krimi-
35 LJASAREWSKY, Op. cit., S. 316 nimmt irrtümlicher Weise an, daß der
Reichsrat den Angeklagten ohne gerichtliche Untersuchung einer Ahndung
unterziehen kann. Dieses Recht kommt ihm nur gegenüber den höheren
Staatsbeamten zu.
s* Nach dem Statute von 1901 gelangten Berichte und Klagen, welche
vom Kaiser beachtenswert befunden waren, in das Departement für zivile
und geistliche Angelegenheiten, wo sie von einem Kollegium von mindestens
sieben Personen geprüft wurden. Als Staatsanwalt fungierte der Justiz-
Minister.
8? Samml. von Gesetzen und Verfügungen d. Regierung, 1889, Art. 136,
1891, Art. 800.
3 Sjehe d. Stat. d. Ministerrates, Art. 1707, Swod Sakonow, B. 1, Ausg.
1832.
®® Dem obersten Kriminalgericht unterstehen, nach Art. 1071 und 1076
der Strafprozeßordnung, sämtliche Amtsdelikte der höheren Staats-
beamten. Verg. ANZIFEROW, Zur Frage von der privilegierten Gerichts-
barkeit für Amtsdelikte nach der russ. Strafprozeßordnung, in „Gesam-
melte Schriften“ St. Petersburg, 1898, S. 548.