Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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Unserer Ansicht nach ist hier die Frage entscheidend, ob 
eine Angelegenheit zum Kompetenzbereich der betreffenden 
Kammer — der Reichsduma oder des Reichsrates — gehört oder 
nicht. Das Gesetz spricht kategorisch von Angelegenheiten, die 
der Kompetenz der Reichsduma unterstehen, ignorieren läßt sich 
diese Bestimmung nicht, um so mehr da nach den allgemeinen 
Regeln der juristischen Hermeneutik Privilegien im einschränken- 
den Sinne zu interpretieren sind. In praxi können freilich große 
Schwierigkeiten und Mißverständnisse entstehen beim Entschei- 
den von Fragen, ob gewisse Angelegenheiten zur Kompetenz 
der Kammern gehören oder nicht. Deshalb enthalten meistens 
die betreffenden Artikel der Verfassungsurkunden keine Be- 
schränkungen und erstreckt sich die Immunität auf alle Reden 
der Abgeordneten, unabhängig von ihrem Inhalt und dem Gegen- 
stand der Debatten. In Rußland gestattet jedoch die Redaktion 
des Art. 14 (und Art. 5 des Organisationsgesetzes des Reichs- 
rates) eine derartige Schlußfolgerung nicht: es ist klar, daß der Ge- 
setzgeber die Redefreiheit nicht auf jegliche Debatten überhaupt 
ausdehnen wollte, welche in den Kammern stattfinden konnten, 
sondern bloß auf solche, die einen gesetzmäßigen Charakter 
tragen. Und dieses erklärt sich daraus, daß beim Ausarbeiten 
des Organisationsgesetzes der Reichsduma die Redakteure sich 
noch im Banne von Begriffen befanden, die sich in einer Staats- 
ordnung entwickelt hatten, welche weder gesetzgebende Insti- 
tutionen noch Volksvertreter kannte. 
lisiert der Art. 14, wie wir gesehen haben, die Unverantwortlichkeit der 
Abgeordneten nicht; deshalb müßte es doch ganz gleich sein, mit was für 
Angelegenheiten die gesetzgebenden Kammern sich beschäftigen, mit sol- 
chen, die ihrer Kompetenz unterstehen, oder mit anderen; in beiden Fällen 
unterliegen ihre Mitglieder für verbrecherische Reden einer Verfolgung.
	        
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