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spricht aber das Urteil von der Türkei als dem Aegypten „sou-
serän“ übergeordneten Staat, womit offenbar gesagt sein soll,
daß die türkischen Firmane in ihrer wörtlichen Bedeutung an-
zuerkennen sind.
Ich halte diese Erwägungen für irrig. In meinem „Staats-
recht Aegyptens“ habe ich gezeigt, daß in den türkischen Fir-
manen allerdings der Form nach ziemlich weitgehende staats-
rechtliche Abhängigkeit Aegyptens von der Türkei besteht, daß
aber die Form in türkischen Regierungserlässen anders zu beur-
teilen ist, wie in westeuropäischen. Im _ italienisch-türkischen
Kriege 1911/12 hat sich die Richtigkeit dieser Annahme er-
wiesen. Aegypten hat in diesem Kriege in der Tat der Türkei
gegenüber die Stellung eingenommen, die es nach meiner Aus-
legung seiner Staatsverfassung einzunehmen berechtigt war, näm-
lich die eines absolut unabhängigen Staates, der seine Neutralität
erklären und behaupten konnte; ‚und nicht die Stellung, die es
nach der Form der türkisch-ägyptischen Firmane einzunehmen
verpflichtet gewesen wäre: eines zu militärischer Unterstützung
ausdrücklich verpflichteten Vasallen. Welche politischen Rück-
sichten hierbei mitspielten, ist gleichgültig, solange es sich um
die juristische Qualifikation eines internationalen Verhältnisses
handelt. Politische Motive, Berechnungen und Zwecke kommen
da nicht in Betracht, sondern einzig und allein die politischen
Tatsachen, auf denen wir die internationalen Abhängigkeitszu-
stände aufbauen müssen, wenn wir sie überhaupt als Rechtszu-
stände behandeln wollen.
Aus diesen Erwägungen heraus und bei solcher Qualifikation
der staatsrechtlichen Stellung Aegyptens muß zugegeben werden,
daß die ägyptische Regierung in der Lage ist, mit voller Rechts-
wirksamkeit selbständig über ägyptisches Staatsgebiet zu verfügen.
Danach ist gegen die Gültigkeit des Vertrages vom 19. Januar
1899 nichts einzuwenden ”. Natürlich bildet die Tatsache, daß
? Anderer Ansicht ist fast die gesamte ägyptische und völkerrechtliche