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lagen des internationalen Völkerverkehrs handelt. Rechtlicher
sein wollen als die staatenbildende Politik: die Quelle aller ju-
ristischen Organisation, kann sehr leicht wie Utopismus wirken
oder gar als ein aus kleinlicher Begrifisjurisprudenz künstlich
hergestelltes Uebelwollen.
Ich glaube, gerade im Interesse einer Fortentwicklung der
Lehre vom Staat ist es zu begrüßen, daß ein Gerichtshof von
so außerordentlichem Ruf, so allgemeiner juristischer Orientierung
und anerkannter Unparteilichkeit, dazu unter seinem Präsidenten
HERZBRUCH, der sich seit Jahren internationaler Anerkennung
als juristische Kapazität erfreut, in dem Urteil, das ich abgedruckt
habe, den Gedanken der normativen Kraft des Faktischen und
der staatsmännischen Behandlung eines staatsrechtlichen Problems
deutliche Geltung gegeben hat. Die Frage nach der rechtlichen
Begründung eines aus politischer Umwälzung hervorgegangenen
neuen politischen Zustandes war zu erledigen. Ein Weg, diese
Frage juristisch befriedigend zu lösen, ist gefunden worden. Jede
entgegengesetzte juristische Erwägung wäre — das steht fest —
praktisch unbrauchbar; hätte der faktischen, von der internatio-
nalen Machtverteilung abhängigen politischen Lage gegenüber
verlorenes Spiel. Muß es da nicht den Juristen mit Genugtuung
erfüllen, daß er jenen Weg gefunden sieht?
In keiner anderen juristischen Disziplin geht die Umwandlung
der Grundbegriffe träger vor sich, wie in der Staatsrechtslehre,
und doch sehen wir nirgends deutlicher, wie bei staatsrechtlichen
Verhältnissen, daß der jeweilige faktische Zustand maßgebend
und gebietend über dem Begriff und über der abstrakten wissen-
schaftlichen Formulierung steht. Alle Merkmale des Staats-
begriffs sind ja schließlich doch nur induktiv festzustellen. Die
Erkenntnis der wesentlichen Gestaltungsnormen geltender staat-
licher Zustände lehrt uns, was wir unter Staat verstehen müssen.
Wenn heute manche politischen Gebilde praktisch Staaten sind,
die ihrem inneren Aufbau nach dem bisher von der Staatsrechts-