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der Kriegführenden sind, aber in der Regel notwendige Nebenfolgen des
Krieges bilden. Infolge dieser Nebenwirkungen auf Rasse, Wirtschaft, Soli-
darität usw. kommt dem Kriege eine bestimmte Funktion in der physischen
und moralischen Entwicklung des Staates und der Menschheit zu. Aber
diese Funktion des Krieges ist nicht eine absolute, sondern eine relative,
historisch bedingte. Der Autor lehnt es also ab. ein absolutes Urteil über
Wert oder Unwert des Krieges zu geben. Er stellt sich vielmehr auf den
Boden, daß diese Frage nur so beantwortet werden kann, daß festgestellt
wird, ob unter gewissen historischen, ökonomischen und ethischen Voraus-
setzungen der Krieg eine notwendige Funktion erfülle zur Steigerung der
menschlichen Kultur, insbesondere für Erreichung des sozialen Ideals, das
sich in dem Begriff der Gerechtigkeit konzentriert.
Von diesem Standpunkte aus tritt DEL VeccHIo auch an das Problem des
Friedens heran. Er bestreitet, daß der Friede an sich ein Ideal sei. Die
Tatsache des Friedens d. h. des Nichtkrieges ist für ihn ethisch durchaus
indifferent. Der Verfasser gibt eine allerdings nicht ganz ausreichende
Uebersicht über die Ideen, welche das Friedensproblem und das Friedens-
ideal betreffen. An erster Stelle beschäftigt er sich mit dem asketischen,
vor allem also dem urchristlichen Friedensideal. Er bestreitet zwar die
subjektive ethische Superiorität dieser Auffassung nicht, aber er hält sie
für ungeeignet als objektive Norm zu gelten, denn die asketische Friedens-
auffassung verkennt die notwendige Voraussetzung ihrer Verwirklichung,
nämlich die Reziprozität, ihre Anerkennung durch alle Menschen, bezw.
Staaten. Die Annahme des asketischen Ideals durch die einen führte
schlechthin zur Entfesselung eines rücksichtslosen Egoismus der andern.
Ohne ein Gleichgewicht der Kräfte, wie es annähernd im Staate verwirklicht
ist, ist das absolute Friedensideal, d. h. der Verzicht auf Selbsthilfe und
zwangsweise Verwirklichung des Rechtes unmöglich. Eine zweite Richtung
innerhalb der Friedensideen bezeichnet DEL VEccHIo als die imperialistisch-
absolutistische. Diese geht aus von der Idee eines Zusammenschlusses der
Menschheit in einem Universalstaat, der in analoger Weise wie der Einzel-
staat gegenüber den Individuen für die Staaten bedingungslos die Friedens-
ordnung garantierte. Er hält diese Idee, für welche der Verfasser sich
allerdings im wesentlichen auf das mittelalterliche Imperium beschränkt,
für schlechthin unrealisierbar und sieht in ihr mehr ein Mißverständnis des
Ideals einer rechtlich verfaßten Menschheit, welches die Grundlage der von
ihm vertretenen „rechtlichen Friedensidee* bildet. Unter dem Titel em-
pirisch-politischer Friedensbegriff faßt DEL VeccH1o diejenigen Ansichten
zusammen, die das Gemeinsame haben, daß sie den Frieden durch eine
Verständigung unter den Staaten herbeiführen wollen. Er erwähnt als
Vertreter dieser Richtung namentlich die im 17. und 18. Jahrhundert auf-
tauchenden Friedensprojekte. Charakteristischer für einen empirisch-poli-
tischen Friedensbegriff wäre wohl die moderne Friedensbewegung, speziell