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also kraft ihres allgemeinen Wesens (ALR. 11 17 $ 10) keine sittenpolizei-
lichen. Werde damit der Begriff der „Sittenpolizei* überhaupt ein rechts-
geschichtlicher, so stehe anderseits das herrschende System der Reglemen-
tierung mit ihrem Wesen im Einklang.
Zum Schlusse zieht W. die erfahrungsmäßigen Ergebnisse: Verbot der
Prostitution ist aussichtslos, Ueberwachung durch — nötigenfalls zwangs-
weise — Listeneintragung zweckmäßig. Für ihre Art ist einmal die öffent-
liche Sicherheit bestimmend: Die Sonderbehandlung der besseren
Elemente der Prostitution in unserem Reskript von 1907 hält der Verfasser
für gerechtfertigt (aber wie verträgt sich damit sein doch wohl viel zu gene-
relles, hartes Urteil S.3 Satz 1?). Im übrigen empfiehlt er Isolierung durch
Kasernierung. Sie diene zugleich zweitens der öffentlichen Gesundheit,
vorausgesetzt, daß die Kontrolle auch gegenüber den mit Dirnen verkeh-
renden Männern stattfinde. Doch hier bekennt er selbst, die — unentbehr-
liche — medizinische Literatur nicht zu kennen.
Für das künftige StGB. will er das Vermieten an Dirnen nicht, wie bisher
— aller Rechtssicherheit zuwider — mit Strafe belegt, sondern an polizei-
liche Erlaubnis gebunden sehen.
Der geschichtliche Teil der Arbeit bringt eine sehr brauchbare und
lehrreiche, wenn auch nicht allzu selbständige Zusammenstellung der Ent-
wickelungsstadien des Prostitutionsrechtes.. Den rechtsdogmatischen und
rechtspolitischen Ausführungen des Verfassers kann man im Wesentlichen
voll zustimmen.
Frankfurt a. M. Prof. Dr. Freudenthal.
Dr. Alfred Schulze, Landrichter und Hilfsarbeiter ım Reichsamt des
Innern. Die Verfassung und das Wahlgesetz für Elsaß-Lothringen.
Gebweiler. Verlag der J. Boltzeschen Buchhandlung 1911. 199 8.
Die Vorgeschichte des RGes. über die Verfassung Elsaß-Lothringens
vom 31. Mai 1911 gehört zu den wechselvollsten und interessantesten der
modernen Gesetzgebungsgeschichte.e Man darf sich nur erinnern an die
Besprechungen des Staatssekretärs des Innern Dr. Delbrück mit der Landes-
regierung und Vertretern des Landesausschusses in Straßburg (Juni 1910),
welche die erstaunliche Preisgabe der von diesem kurze Zeit vorher
gefaßten Beschlüsse offenbarte.
Während der Verlauf der ersten Lesung der Entwürfe des Verfassungs-
und Wahlgesetzes für die 2. Kammer eine im ganzen glatte Abwicklung
in Aussicht stellte, türmten sich in den Kommissionsberatungen solche
Schwierigkeiten auf, daß man auf ein Scheitern der Vorlage gefaßt sein
mußte. Die Grundlagen der Regierungsvorlage wurden durch die Beschlüsse
der Kommission derart verschoben, daß eine Vertagung der Beratungen
auf Anregung des Staatssekretärs des Innern beschlossen wurde, um dem