— 5716 —
geltenden Rechtszustandes (S. 101), wo er mit dem Begriffe „Rechtssatz“
operiert, ohne irgend zu sagen, wie er diesen bekanntlich sehr kontroversen
Begriff verstanden haben will. Doch sei auf die originelle Deutung hin-
gewiesen, die Verf. dem Satze gibt, daß „authentische Erklärung“ der Ge-
setze ständischer Mitwirkung bedarf (S. 71£.).
Neben den Untersuchungen über die Freiheits- und Eigentumsformel
treten die übrigen Teile der Arbeit (S. 74-87, 103—112) an äußerem Um-
fang und innerem Wert zurück. Besonders die Behandlung des Polizei-
verordnungsrechts ist sehr oberflächlich {S. 75 ff). Indes finden sich
wiederum bei Erörterung der Notverordnung und der Vollzugsverordnung
wertvolle Mitteilungen aus der Landtagspraxis. Auch ist bemerkenswert,
daß Verf. (mit WIELANDT und GLOCKNER) ein Gewohnheitsrecht annimmt,
kraft dessen Notverordnungen spätestens mit Schluß des nächsten Landtags
außer Kraft treten, wenn sie diesem nicht vorgelegen haben (S. 111f.).
Das ist wohl richtig. Wenn Verf. aber dann den, überdies zweifelhaften
Satz, außer Kraft getretene Notverordnungen könne die Regierung nicht
aufs neue erlassen, mit dem Argument belegt, „sonst wäre sie imstande,
ganz durch Notverordnungen zu regieren“, so begreift man nicht recht,
warum er es nicht auch gegen die verbreitete Ansicht wendet, durch Not-
verordnung könnten auch Verfassungssätze abgeändert werden (S. 108).
In Württemberg, dessen Verfassungstext hierin gleich sorglos ist, wie der
badische, hat die Notverordnung vom 6. Nov. 1850 die ganze bestehende
Landtagsorganisation aus königlicher Machtvollkommenheit umgestaltet. Ich
neige mehr und mehr dazu, hierin einen verfassungswidrigen Staatsstreich
zu sehen, eine Mißdeutung der Notverordnungsklausel, und bedauere, daß
Verf. an der Frage vorübergegangen ist, ob denn nicht der wahre Sinn
der badischen und württembergischen Klausel ein harmloserer ist, als ihn
eine isolierende Wortinterpretation hinstellt.
Diese Ausstellungen vermögen mein günstiges Gesamturteil über die
fleißige und gut geschriebene Dissertation nicht zu trüben.
Thoma.
Georg Meyer, Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts.
Nach dem Tode des Verfassers in dritter Auflage bearbeitet von Franz
Dochow, Privatdozenten der Rechte in Heidelberg. Leipzig (Duncker u.
Humblot) 1910. XIV. 762 S.
Selten ist die Neuauflage eines Buches mit solcher Ungeduld erwartet
worden, wie die des G. MEYER’schen Lehrbuchs. Denn das Buch war einzig in
seinerArt. Voneinigen Lehrbüchern des Verwaltungsrechts unterschied es sich
schon durch seinen Gegenstand. Verwaltungsrecht als besonderer Lehrgegen-
stand wird ja in ganz verschiedenem Sinne gefaßt, und unsere Lehrbücher des