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fährt z. B. nichts davon, daß das Fortbildungsschulwesen, von dem G. MEYER
freilich noch nicht viel sagen konnte, inzwischen ein besonderer, für die
ganze Entwicklung unseres Volkslebens hochbedeutsamer Verwaltungszweig
geworden ist, auf dem die verschiedensten gesetzlichen Neuregelungen
stattgefunden haben; er erfährt nichts vom Mittelschulwesen; nichts davon,
daß es auch neuere Kodifikationen über höheres Unterrichtswesen gibt.
Auch neuere organisatorische Einrichtungen, wie das preußische Landes-
gewerbeamt mit dem gewerblichen Beirat, der Bergausschuß, wären wohlkaum
unberücksichtigt geblieben, wenn der Bearbeiter der Neuauflage die bezüg-
lichen Gesetze selbst eingesehen hätte. Das Verwaltungsrecht ist in viel
zu ungleichem Maß Gegenstand literarischer Behandlung geworden, als daß
man aus den literarischen Hilfsmitteln allein ein richtiges Bild von dem
geltenden Recht gewinnen könnte. Freilich genügt dazu auch nicht die
Einsicht der Gesetze allein. Es ist weiter dazu erforderlich eine Anschau-
ung der Verwaltung selbst, wie sie G. MEYER aus seiner vielfachen prak-
tischen Betätigung im politischen Leben hatte. Erst aus solcher Anschau-
ung heraus kann man auch das richtige Augenmaß für die Auswahl aus der
Fülle der rechtlichen Bestimmungen finden, die selbstverständlich in einem
Lehrbuch nicht in allen Einzelheiten vorgetragen werden können. Es
kommt besonders bei sogenannten Reformgesetzgebungen vor, daß in den
Vordergrund gerückte Aufgaben auf dem Papier stehen bleiben, scheinbar
beiläufige Kompetenzbestimmungen aber in der Praxis zu bedeutsamen
Entwicklungen führen. So muß m. E. in einem Lehrbuch z. B. auf die
große schaffende Tätigkeit der Versicherungskörper, die auf dem Wege
sind, sich zu Verwaltungskörpern für soziale Wohlfahrtspflege überhaupt
auszuwachsen, besonders hingewiesen werden; auch die Neuauflage erwähnt
z. B. die Knappschaften, deren Tätigkeit eine ganz gewaltige Ausdeh-
nung gewonnen hat und sich mit den verschiedensten Verwaltungszweigen
berührt, nur in einem kurzen Satz, der nichts davon erkennen läßt; hoffent-
lich wird hier wenigstens in dem Nachtrag, der für das Versicherungsrecht
in Aussicht gestellt ist, das Erforderliche noch nachgeholt.
Leider ist auch noch in einer anderen Beziehung die ganze Anlage des
Meyer’schen Lehrbuchs verändert. G. MEYER leitete jeden selbständigen
Abschnitt des Verwaltungsrechts, z. B. über das Heimats- und Nieder-
lassungsrecht, das Schulrecht, das Grundbesitzrecht, das Wasserrecht, Ge-
werberecht usw. mit einer Uebersicht über die geschichtliche Entwicklung
des betreffenden Rechtszustandes ein. DocHow hat alle diese Abschnitte
gestrichen und nur hie und da einmal eine geschichtliche Bemerkung in den
Anmerkungen stehen lassen. Das ist ein Punkt, der gerade gegenwärtig
besonders zur Erörterung gezogen werden muß, denn es besteht in weiten
Kreisen eine gewisse Abneigung gegen den rechtsgeschichtlichen Unter-
richt und es ist eine Strömung, denselben einzuschränken, um so beach-
tenswerter, als sie sich verbindet mit den auf Herbeiführung einer zeitgemäßen