Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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Rechtspflege gerichteten Bestrebungen, wie sie z. B. der Verein „Recht und 
Wirtschaft“ verfolgt. Es ist eine offenbar sehr weitverbreitete Anschauung, 
daß historische Ausbildung gewissermaßen im Gegensatz zu praktischer Aus- 
bildung stünde; eine neuerliche Denkschrift der Aeltesten der Kaufmann- 
schaft von Berlin über die Reform der juristischen Vorbildung führt in dieser 
Hinsicht geradezu aus: „Das Ziel der Reform der juristischen Vorbildung 
müsse in der Abkehr vom Abstrakten und in der Zukehr zum Praktischen 
liegen.“ Der Erreichung dieses Ziels sei es hinderlich, „daß den rechts- 
geschichtlichen Unterrichtsfächern gegenwärtig ein zu breiter Raum gewährt 
wird“, es müsse „Platz für das lebende Recht geschaffen werden“. Es wäre 
aber eine völlige Verkennung dessen, was der historische Unterricht will, 
wenn man historische und praktische Ausbildung in einen Gegensatz stellen 
und daher im Interesse der letzteren eine Einschränkung der ersteren 
fordern wollte. So wird das Verhältnis von den wirklich sachkundigen 
Führern jener Reformbewegung auch nicht angesehen. Deren im vorigen 
Jahr erlassener Aufruf betonte ausdrücklich: „Geschichtlicher Betrieb der 
Rechtswissenschaft ist nicht zu entbehren“, der „Rechtsunterricht hat ein- 
zuführen in das lebendige Recht der Gegenwart, in seine Zusammenhänge 
mit der Vergangenheit und in die Aufgaben der Zukunft“. Nicht eine Ein- 
schränkung des rechtsgeschichtlichen Unterrichts, nur eine Aenderung der 
Methode wird hier angestrebt. Die Darstellung der Vergangenheit soll 
nicht Selbstzweck sein, sondern Mittel zum Zweck, die Gegenwart zu ver- 
stehen. Deshalb ist allerdings zu erwägen, ob die Rechtsgeschichte nicht 
in allen Disziplinen näher an die Darstellung des geltenden Rechts heran- 
zubringen ist: eben so wie es G. MEYER, übrigens auch LOENnIn@ gemacht 
hat, bei denen der gegenwärtige Rechtszustand auf den einzelnen Verwal- 
tungsgebieten als Resultat der bisherigen geschichtlichen Entwicklung er- 
schien. So gelehrt ist die Kenntnis der Rechtsgeschichte eine unentbehr- 
liche Voraussetzung für das Verständnis des geltenden Rechts und zwar 
nicht nur für seine theoretische, sondern vielmehr gerade auch für seine 
praktische Erfassung. Dies besonders auf dem Gebiet des Verwaltungs- 
rechts. Mir ist wenigstens die Bedeutung der Rechtsgeschichte gerade in 
der Verwaltungspraxis von Jahr zu Jahr mehr aufgegangen. Es ist aller- 
dings wohl vielen, die die Verwaltung nicht aus eigener Anschauung 
kennen, nicht genügend bekannt, wie häufig dort die praktische Frage 
auftritt: Wie wurde es bisher gehalten? Die umfassende systematische 
Kodifikation spielt auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts nicht die Rolle, 
wie auf dem Gebiet des Privatrechts und in den neueren geschriebenen 
Gesetzen konımt, wenn es deren auch eher zu viel gibt, doch nicht an- 
nähernd die gegenwärtige Rechtslage zum Ausdruck. Zudem kommen im 
Verwaltungsrecht unendlich viel örtliche Verschiedenheiten in Betracht. Des- 
halb ist ein Zurückgehen auf die Vergangenheit oft allein schon notwendig, 
um überhaupt erst die Rechtslage festzustellen. Wie häufig kommt es
	        
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