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schen Sprachen gänzlich fremde Sprache finnischen Ursprungs, wie die un-
garische Sprache, in gleichem Maße für Germanen, Romanen und Slawen
verbunden ist. Das Ergebnis seiner gründlichen geschichtlichen, juristischen,
sprachwissenschaftlichen Studien besteht einerseits in einer neuen Darstel-
lung der Entstehungsgeschichte des staatsrechtlichen Ausgleichs
zwischen Oesterreich und Ungarn vom Jahre 1867, andererseits in einer kri-
tischen Uebersetzung des vielberufenen ungarischen Gesetzartikels
XII vom Jahre 1867 über die gemeinsamen Angelegenheiten. Der zweite
Teil, die kritische Uebersetzung, ist in den Noten mit einer reichen Anzahl
von Einzelerörterungen ausgestattet, die den Gesetzestext als Kommentar
begleiten. Dort finden sich auch — unter steter Heranziehung der ungarischen
Literatur — sehr beachtenswerte Ausführungen über grundsätzliche Fragen.
Besonders wichtig sind die hier eingeflochtenen Bemerkungen über die
Frage der Gemeinsamkeit des Österreichisch-ungari-
schen Heeres (Seite 69-77 und 109—137) und über die Frage
der Vertragsnatur desstaatsrechtlichen Ausgleichs
(Seite 143—160 und 252—2%). Während nach österreichischer Auffas-
sung — auch der ZOLGERS — der Abschluß eines Vertrags zwi-
schen Oesterreich und Ungarn über die Behandlung der gemeinsamen An-
gelegenheiten angenommen wird, ist man auf ungarischer Seite der Anschau-
ung, daß Ungarn den jetzigen Zustand mittels seiner einseitigen
Gesetzgebung, ohne vertragsmäßige Bindung im Verhältnisse zu
Oesterreich geschaffen habe und deshalb jederzeit berechtigt sei, auch wie-
der einseitig die Verbindung zu lösen
Wie immer man über diese und andere im Buche behandelte einzelne
Fragen denken mag, die im tatsächlichen Staatsleben vorwiegend als Macht-
fragen, weniger als rechtliche Fragen auftreten — jedenfalls steht es außer
Zweifel, daß sich der Verfasser durch seine eigenartige Darstellung des
österreichisch-ungarischen Ausgleichs ein ganz außerordentliches Verdienst
um die staatsrechtliche Wissenschaft erwarb. Sein Werk bietet nicht nur
neue Gesichtspunkte zur gründlichen Erkenntnis einer der interessantesten
unter den bestehenden Staatenverbindungen, sondern stellt sich auch durch
das darin enthaltene, bisher kaum zugängliche wertvolle Material für die
Zukunft als grundlegend dar. Dr. Max Schuster-Bonnott.
Die russische Verfassung von Dr. Anton Palme. Berlin 1910.
Dietrich Reimer (Ernst Vohsen).
Das PALmesche Werk, das schon 1910 geschrieben ist, bedarf jetzt
wohl keiner besonderen Einführung mehr. Sein Erscheinen entsprach
einem Bedürfnis, da wir bis dahin in deutscher Sprache außer dem Aufsatze
von SCHLESINGER, der die Verfassungsreform in Rußland in dem Jahrbuch
des öffentl. Rechts der Gegenwart Bd. II 1908 in summarischer Weise be-