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die Perioden, über welche die Duma sich selbst vertagt, nicht als Aufhören
der Arbeiten bezeichnet werden.* PALME stimmt hier ganz mit NOLDE
überein, der diese Frage ausführlicher untersucht und zu dem Ergebnis
kommt (S. 39), daß sowohl während des Zwischenraumes zwischen den
Sessionen der Duma, als auch während der Unterbrechungen der Duma-
arbeiten im Laufe des Jahres gemäß Art. 99 auf Grund einer kaiserlichen
Verordnung die Voraussetzung der Notverordnung vorliege. Der einzige
Unterschied, der in dieser Beziehung zwischen PALME und NoLDE besteht,
ist der, daß PALME aus dem russischen Text des Art. 99 folgert, daß der
Kaiser nur einmal durch Verordnung die Arbeiten der Duma unterbrechen
dürfe, während NOLDE anscheinend mehrere Unterbrechungen zuläßt. —
Längere Ausführungen hat PALME ebenso zu dem bekannten Art. 96
der Staatsgrundgesetze gemacht, der von den Bedingungen spricht, unter
denen der Kaiser unter Außerachtlassung des gewöhnlichen Gesetzgebungs-
wegs auf militärischem Gebiet selbständig im Verordnungswege tätig sein
kann. PALME führt die Verordnung vom 24. August 1909 wörtlich an, die
gewissermaßen als authentische Interpretation des etwas unklaren Inhalts
des Art. 96 erlassen worden ist und findet, daß sie sowohl in formeller
wie in materieller Beziehung der Verfassung widerspricht. Diejenigen
Dumaparteien, die seinerzeit aus politischen Gründen die Verordnung über
sich haben ergehen lassen, ohne in eine aussichtslose Opposition zu treten,
haben sich durch die Argumentation geholfen, daß sie die Verordnung nur
als eine Art Geschäftsanweisung von reinem Verwaltungscharakter an die
Behörden auslegten, dagegen ihr den Charakter einer authentischen Inter-
pretation mit verbindlicher Kraft auch für die Duma absprachen.
Auf die finnische Frage ist PALME wenig eingegangen, sie be-
fand sich zur Zeit der Veröffentlichung des Buches noch nicht im akuten
Stadium. Im allgemeinen stellt sich PALME in der Auslegung der in Be-
tracht kommenden Artikel auf den Standpunkt, den nachher die russische
Regierung in praxi eingenommen hat. So betont er zu Art. 2: „Art. 2
überweist die inneren Angelegenheiten Finnlands der Sphäre einer beson-
deren Gesetzgebung, welche auf Grundlage der besonderen Verfassung des
Großfürstentums erfolgt. Unter den innern Angelegenheiten sind im Gegen-
satz zu den äußeren alle diejenigen Angelegenheiten zu verstehen, welche
ausschließlich für das Gebiet des Großfürstentums von Interesse sind.
Aeußere Angelegenheiten sind dagegen solche, welche das Interesse nicht
finnländischen Gebietes, also dasjenige des russischen Kaiserreichs mit be-
rühren... eine genauere gesetzliche Abgrenzung der beiden Sphären, die
bisher feblt, ist daher dringend erforderlich. Diese Regelung kann allein
erfolgen durch die verfassungsmäßige Gesetzgebung auf Grund der Ueber-
einstimmung des Kaisers mit dem Staatsrate (Reichsrate) und der Staats-
duma.“ Wie bekannt, sind jetzt alle Streitigkeiten der Gelehrten über die
staatsrechtliche Natur Finnlands dadurch erledigt, daß die von PALME er-