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das Eigentum ist unverletzlich‘“, und ein fünftes unter dem Titel: „die prak-
tische Verwirklichung der Unverletzlichkeit“ die Fragen nach dem Wesen
der „vollen Entschädigung“ und nach dem Wesen des „öffentlichen Wohls“.
Der Schwerpunkt der Schrift liegt im vierten Kapitel, das in der Haupt-
sache einer eingehenden Erörterung des Art. 9 der Preußischen VU. gewid-
met ist. Der Verfasser rügt gegenüber der bisherigen Literatur, daß sie
bei ihrer Beweisführung nicht einen richtig bestimmten Eigentumsbegriff
eingestellt habe; nur darauf sei der bekannte Streit um die Tragweite des
Art. 9 zurückzuführen. — Er wirft demgemäß zunächst die Frage auf, wel-
cher Eigentumsbegriff dem Verfassungsgesetzgeber vorgeschwebt habe, und
schildert zu diesem Zweck eingehend die Kammerverhandlungen. Aus ihnen
ergibt sich m. E. klar das Vorhandensein einer Differenz zwischen dem
Zentralausschuß und dem Abgeordneten Tamnau einerseits, dem Justizmini-
ster Simons andererseits, von denen der letztere den landrechtlichen Eigen-
tumsbegriff ($ 2 ALR. I 8) verwandte, während von der andern Seite eine
Beschränkung auf das „Eigentum an Sachen“, also entsprechend dem Eigen-
tumsbegriff des BGB., angenommen wurde. N. aber ignoriert diese erheb-
liche Verschiedenheit vollkommen, meint vielmehr befriedigt aus den Kam-
merverhandlungen feststellen zu können, daß in Art. 9 der „zivilrechtliche
Eigentumsbegriff“ gemeint sei, und beruft sich im folgenden immer wieder
auf das „so definierte“ oder das „oft definierte“ Eigentum, von dem aber
doch niemand aus dem Buch ersehen kann, ob es im Sinn des ALR. (so an-
scheinend nach 8. 4 Anmerkung 1) oder im Sinn des BGB, (so anscheinend
S. 54) verstanden wird. — So schwebt m. E. das Hauptergebnis des Ver-
fassers, im Rahmen des zivilrechtlichen Eigentumsbegriffs enthalte Art. 9
eine wahre Rechtsnorm. eine üher diesen Rahmen hinausgehende Entschä-
digungspflicht für Eingriffe in das „Vermögen“ sei dagegen in ihm nicht
enthalten, was seinen wichtigeren positiven Teil anlangt, einigermaßen in
der Luft. — Auch die Polemik gegen die entgegenstehenden Meinungen
scheint mir nicht durchweg glücklich. Wenn RÜTTIMAnNN für das schwei-
zerische Recht in den entsprechenden Verfassungsartikeln eine Garantie
aller erworbenen Vermögensrechte auch gegenüber dem Gesetzgeber er-
blickt, so ist das gar nicht so absurd, wie es N. uns S. 62 hinstellen will,
da das Schweizer Recht Eingriffe der Gesetzgebung in die „verfassungs-
mäßigen Rechte der Bürger“ grundsätzlich anders beurteilt als das Preu-
ßische Recht (vgl. FLEINER, Institutionen S. 241 Anm. 3 und dort genannte).
Die Polemik gegen O’rTo MAYER scheint mir mit zwei haltlosen Gründen
zu arbeiten; wenn N. ihm zunächst vorwirft, daß seine Ausführungen sich
„eigentlich mehr in Behauptungen und Analogieschlüssen bewegen, als daß
es ihnen gelänge, durch Beibringung tatsächlichen historischen Materials
den vorausgesetzten allgemeinen Entschädigungsanspruch . zu erweisen‘,
so ist dem die Frage entgegenzuhalten, ob denn, da N. sich selbst ja gar-
nicht auf die Widerlegung eines Gewohnheitsrechts beschränkt, Analogie-