Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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Streit, handelt es sich für nicht an ihm beteiligte Staaten um eine res 
inter alios acta. Daraus ergibt sich, daß regelmäßig die Einmischung 
dritter Staaten sich lediglich als eine Konsequenz der Verletzung inter- 
nationaler Abmachungen darstellt, sich somit also innerhalb des Rah- 
mens des Völkerrechts hält. Die Mehrzahl derartiger Fälle — die 
ohnedies nur äußerst selten sein dürften — werden durch das Vorliegen 
einer Vereinbarung des eben beschriebenen Inhalts gedeckt sein. So weit 
dies jedoch nicht zutrifft, bliebe keinerlei Möglichkeit, die Sentenz zu ver- 
wirklichen, falls man in der Tat vor der Heiligkeit der staatlichen Sou- 
veränität auch in diesem Fall zurückschrecken würde. In Wirklichkeit 
bedeutet aber — von den zahlreichen Beispielen, die das Völkerrecht auf 
tausend Blättern bietet (es sei nur an die fälschlich sogenannten Staats- 
servituten erinnert) ganz abgesehen — jeder Vertrag, durch den ein Staat 
eine Verpflichtung übernimmt, in gewissem Sinne eine Einschränkung seiner 
absoluten Unabhängigkeit, mindestens in dem Sinn, daß hieraus für die 
Gegenpartei die Möglichkeit erwächst, gewaltsam ihre Ansprüche zu ver- 
wirklichen. Es wäre m. E. gerade im Interesse des Weltfriedens sehr zu 
begrüßen, falls auch in der Richtung die Staaten eine Einschränkung ihrer 
Souveränität sich gegenseitig konsentieren würden, daß die Nichterfüllung 
einer aus Vertrag, Vereinbarung oder einem, von dem betreffenden Staat 
nachweisbar anerkannten Satze des Gewohnheitsrechts emanierenden Pflicht 
zwangsweise Verwirklichung durch alle übrigen an dem Abkommen be- 
teiligten Staaten (mit Delegationsbefugnis an einzelne kraft Beschlusses 
aller dieser Staaten in jedem einzelnen Fall)? gegen das widerstrebende Glied 
der Staatsgemeinschaft nach sich ziehen würde. Darin läge ein heilsames 
Abschreckungsmittel (auch gegenüber mächtigeren Staaten) vor der Begehung 
völkerrechtlicher Delikte irgend welcher Art. Zwar würde dieser Satz, 
soweit an einer Vereinbarung mehrere Staaten beteiligt sind, im Verhältnis 
zwischen einem renitenten Genossen und den übrigen Selbstverständliches 
zum Ausdruck bringen, doch wäre die in ihm enthaltene verstärkte Sank- 
tion von nicht unterschätzender Bedeutung, während in allen übrigen 
Fällen das Kollektiveinschreiten allein durch die Bestimmung des generellen 
Abkommens getragen würde. Daß dies.mit der Idee des internationalen 
Friedens nicht unvereinbar wäre, zeigt wohl nichts deutlicher als der Um- 
stand, daß auch der Bundesstaät, bei dem gewiß ein Krieg zwischen seinen 
Gliedern geradezu als etwas Undenkbares erscheint, ich meine das Deutsche 
Reich, in Art. 19 der Reichsverfassung eine Exekution gegen renitente 
Einzelstaaten ausdrücklich statuiert®. 
„Grundvertrag“ und „Schiedsvertrag“ werden — bei der augenblicklichen 
Terminologie nicht seltene — Verwechslungen vermieden. 
? Diese Einschränkung erscheint aus politischen Gründen geboten. 
® Vgl. auch z. B. Art. 16 der Schweizerischen Bundesverfassung und
	        
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