Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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Mußte ich in dieser Frage eine von OPPENHEIM wesentlich abweichende 
Meinung vertreten, so stimme ich mit den im II. Kapitel seiner Schrift, 
die von der internationalen Gesetzgebung im einzelnen handelt, niederge- 
legten Gedanken durchgehends überein. Ich weise besonders auf die wohl 
abgewogenen Ausführungen hin, die er der gesetzgeberischen Methode und 
weiterhin der Frage der Interpretation einmal erlassener internationaler 
Gesetze widmet?, in denen er die, in verschiedenem juristischen Denken 
begründeten Schwierigkeiten zeigt, zu einem für alle Teile gleich verständ- 
lichen Gesetzestext zu gelangen. Bedeutsam sind ferner seine Ausführungen, 
soweit sie sich gegen das verbreitete Vorurteil richten, die Gleichheit der 
Staaten verböte Beschlüsse gesetzgeberischer Konferenzen, welche nicht 
auf Einstimmigkeit beruhten. Zwar ist es eine Konsequenz dieser 
Gleichheit, daß kein Staat an einen Satz gebunden wird, zu dem er 
nicht seine Zustimmung gegeben hat. Nichts aber hindert, für die 
übrigen Staaten — und sei es auch nur eine Minorität — Normen zu 
schaffen. Sind diese gut, so werden auch die dissentierenden der Materie 
in der beschlossenen oder amendierten Form später beitreten. Und man 
wird OPPENHEIM unbedenklich anch darin beistimmen dürfen, wenn er 
selbst eine lückenhafte und unvollständige Art internationaler Gesetzgebung, 
für die uns z. B. das Abkommen über den Gebrauch von Minen im See- 
krieg ein wenig erfreuliches Beispiel bietet, als festen Kern, um den herum 
Gewohnheit oder künftige Vereinbarungen ansetzen können, für besser hält 
als die chaotische Unsicherheit, wie sie bisher auf diesen Gebieten ge- 
herrscht hat. 
Aus dem III. Kapitel („die internationale Rechtsprechung“) mögen nur 
wenige Hauptpunkte Hervorhebung finden. Wie OPPENHEIM, so hoffe auch 
ich auf eine allmähliche Fortbildung internationaler Gerichtsbarkeit und 
die Einführung weiterer Gerichte höherer Instanz, als deren Prototyp der 
von der zweiten Haager Konferenz beschlossene Prisengerichtshof gelten 
mag. Zutreffend weist OPPENHEIM nach, daß die eigenartige — an die 
Zeiten des Deutschen Bundes gemahnende — Mitgliederliste keineswegs 
eine rechtliche, sondern nur eine politische Ungleichheit darstellt, und daß 
dazu SCHOLLENBERGER, Kommentar, 1905, S. 201 ff.; siehe ferner die inter- 
essanten Ausführungen WILLONGH»BYS (Constitutional Law of the United 
States, 1910), p. 86—91, besonders S. 90—91; cf. auch brasilianische Ver- 
fassung vom 24. Il. 1891 Art. 6 (bei DARESTE, les constitutions modernes, 
Zieme ed. 1910, II, 627), mexikanische vom 12. II. 1857 Art. 85 VI (DARESTE 
II 546). 
’ Vgl. dazu die Vorschläge Fıores (bei FIORE-ANTOINE, le droit inter- 
national 'codifie et sa sanction juridique, 1911, p. 98, 557 (bes. Art. 1204). 
Ich stimme dem Nestor der italienischen Völkerrechtsgelehrten durchaus 
zu; vgl. auch OPPENHEIM, International Law I 2d ed., 1912, p. ‚585, 886.
	        
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