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Auszugehen ist bei der rechtlichen Bewertung der elsaß-
lothringischen Landesgesetzgebung von der Untersuchung über
die rechtliche Struktur der gesetzgebenden Organe.
Die zweite Kammer unterscheidet sich von dem frühe-
ren Landesausschuß zunächst durch die Form der Entstehung.
Der Landesausschuß wurde nach Art der Wahlen zum preußischen
Kommunallandtag gewählt durch die Bezirkstage, von den Ge-
meindevertretungen, und ein Teil durch indirekte Wahl der Ge-
meinderäte der Landkreise 1”. Es lag nahe, zumal bei der analogen
Gestaltung einer Einrichtung in Preußen, daran zu denken, den
Landesausschuß als einen Kommunallandtag der Reichsprovinz
E.-L. anzusprechen. Jedoch ist eine solche Auffassung nicht be-
gründet, da sie ihre Motive einer rein zufälligen, äußeren Formalität
entnimmt, ohne, wie oben nachgewiesen, auf das Wesen beider
Behörden einzuwirken.
(segenüber dem bisherigen Zustand hat sich materiell vieles
geändert. Wir konnten uns für den Landesausschuß der An-
sicht JELLINEKs nicht anschließen, in ihm ein eigenes Organ
Klsaß-Lothringens zu sehen!®. Nach ihm war der Landesaus-
schuß der parlamentarische Repräsentant der reichsländischen
mit Wahlrecht begabten Kommunalverbände, als deren Einheit
das Reichsland selbst erschien. Vielleicht wäre es besser gewesen,
diese Definition so zu formulieren, daß man gesagt hätte, der
Landesausschuß ist der Repräsentant der reichsländischen mit
Wahlrecht begabten Kommunalverbände, der in der Form eines
Landesparlaments erscheint und tagt. Nur so wird vermieden,
die Konsequenz zu ziehen, die JELLINEK gezogen hat; nämlich
im LandesausschußB ein eigenes Organ zu sehen. Versteht
man dagegen die Definition JELLINEKs nur dahin, im Landes-
ausschuß ein Parlament zu sehen, so weicht diese Anschauung
' Vgl. den als Anlage zum Ges. betr. die Landesgesetzgebung in R.-L.
vom 2. Mai 1877 erschienene Erlaß vom 29. Oktober 1874.
‘* Mein Aufsatz a. a. O. S. 12.