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ser allein überlasse, den Präsenzstand zu bestimmen,
werde dieses Recht der Krone durch die Feststellung der Cadres
erheblich beschränkt. Letzterer sieht in dem militärischen Ober-
befehl des Kaisers und in dem schrankenlosen Budgetrecht des
Parlaments die beiden Pole, zwischen denen sich das Heerwesen
von 1872 ab bewegen solle; dies beruht auf seiner eigenartigen
Anschauung, nach Art. 60 müsse von 1872 ab die Feststellung
der Friedenspräsenzstärke durch jährliches Etatsgesetz er-
folgen. Beide kommen in ihrer Auffassung von der Wirkung
der Friedenspräsenzgesetze nach der Reichsverfas-
sung der hier vertretenen ziemlich nahe. Ebenso scheint DAM-
BITSCH auf dem richtigen Wege zu sein, wenn er S. 584 sagt,
über solche Fragen, die den Etat nicht berühren, entscheide der
Kaiser allein, und wenn er S. 606 behauptet, es sei nicht etwa
anzunehmen, daß der Kaiser nur eine geringere als die gesetzliche
Präsenzzahl bestimmen dürfe. Der Grund, aus dem er dies fol-
gert, nämlich die Ablehnung der Anträge GÜNTHER und DUNCKER
zu Art. 63, und die Beschränkung des kaiserlichen Rechtes auf die
Einberufung der Reserven über die gesetzliche Ziffer hinaus,
zeigen allerdings, daß er zu vollständiger Klarheit ebenfalls nicht
gelangt ist. Immerhin sind diese Schriftsteller von der riehtigen
Erfassung des Inhaltes der Verfassung nicht weit entfernt.
Ein schlimmes Zeugnis stellen endlich ZORN!!® und PREUSS !!
den Schöpfern der Verfassung aus, wenn sie behaupten, es
gäbe kein verfassungsmäßiges Mittel, das Vacuum auszufüllen;
die Machtfrage müsse einen solchen Konflikt entscheiden. Diesen
beiden Schriftstellern ist jedoch das zuzugeben, daß sie in ihrer
Auffassung des Artikels 63 konsequent bleiben.
Im Ergebnisse kommen wir also mit LABAND darin überein,
daß Art. 63 Abs. IV dem Kaiser auch beim Fehlen eines Frie-
denspräsenzgesetzes das Recht gibt, den Präsenzstand des Heeres
118 II S. 535. 119 am Finde.