Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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baren schriftstellerisechen Käuze in den vertauschten Liebesbriefen 
Gottfried Kellers. Mit wie geringen staatsrechtlichen Kenntnissen 
man an die Kodifizierung des österreichisch-ungarischen Ausgleichs 
in Ungarn wie in Oesterreich und mehr noch in Ungarn ge- 
schritten ist, lehrt die Form, der Inhalt und die geradezu juristisch 
unmögliche Technik dieser ganzen Kodifikation. Man gewahrt 
hier überall den Optimismus, daß sich das wahre Wesen der 
Dinge gegenüber der geringen Weisheit, mit der legislatorische 
Ideen hervorgebracht, und gegenüber der noch geringeren Ge- 
schicklichkeit, mit der sie formuliert werden, von selbst, also gegen 
den Wortlaut eines mißglückten Gesetzes fortbringen werde. Un- 
leugbar werden heute sehr wichtige Gesetze von dem weisen 
Gesetzgeber im Vertrauen auf den Scharfsinn der ungleich weiseren 
Verwaltungsrichter gegeben. Um so unzulänglicher hat sich die 
ganze Doktrin in der Bestimmung der Staatenverbindung auf 
Grund des Ausgleichs erwiesen, sofern sie die konstituierenden 
Akte, isoliert von ihrer historischen und politischen Grundlage, 
betrachtet und mit jenen Maßen gemessen hat, die von einer 
vollendeten juristischen Technik entnommen sind. Das ist gerade 
so gut, als wollte man an die flüchtige und technisch unvoll- 
kommene Verwaltungsgesetzgebung mit Auslegungsregeln heran- 
treten, welche der durchbildeten, technisch streng geschlossenen 
Privat- und Strafgesetzgebung entnommen sind. Es ist verwunder- 
lich, daß dem hier gerügten Fehler ein Autor österreichischer 
Provenienz verfallen ist, der ihn bei der Darstellung des ihm 
ferne liegenden englischen Verfassungsrechts in mustergültiger 
Weise vermieden hat. Um so bemerkenswerter ist es, daß die 
österreichischen Rechtshistoriker sich durch die äußeren Er- 
tolge der in ganz oberflächlichen statistischen Daten wurzelnden 
und dennoch sehr angestaunten staatsrechtlichen Doktrin von den 
Staatenverbindungen nicht haben blenden und abhalten lassen, 
in’s Innere der Nation durch eine gewaltige Fülle geschichtlicher 
Tatsachen einzudringen und unter Darlegung der sich darin kund-
	        
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