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gebenden „Lebensbedingungen der Monarchie“, von Bidermann
bıs auf Steinacker, Turba, Zehntbauer, an der von Jellinek mit über-
legenem Spott behandelten Theorie vom Gesamtstaat festzuhalten.
Es muß dem Leser überlassen bleiben, auf Grundlage der Ge-
schichte der Monarchie seit dem Jahre 1897 zwischen der schwan-
kenden staatsrechtlichen und der einheitlichen rechtshistorischen
Doktrin zu entscheiden. Der leitende Gesichtspunkt drängt sich
bei Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung von selbst auf:
Die Herrscher aus dem Hause Oesterreich standen den einzelnen
Landständen mit der ganzen Macht gegenüber, die ihnen nicht
aus der Verfassung des einzelnen Landes, sondern aus sämtlichen
Landesverfassungen zufloß. Darum waren die Länder nicht Sub-
jekt sondern Objekt der staatlichen Organisation. Dies gilt
auch von Ungarn, wenn auch in erheblich beschränkterem Um-
fang als von den nichtungarischen Ländern. Dies gilt auch jetzt
von der Stellung der Monarchen zu beiden Parlamenten. Die
Machtbetätigung der Herrscher dient kraft der Natur der Sache
kulturellen, staatsorganisatorischen Zwecken, und es bleibt sich
gleich, ob man das als Realisierung der Gesamtstaats- oder der
Kaiseridee kennzeichnet.
II. Verwendung des römischen Kaisertitels zur for-
malen Ausprägung der österreichischen Zentralisation.
I. Der GA. XII 1867, der Ausgleichsvorschlag der ungarischen
Gesetzgebung, schildert den Vorgang der Behandlung der gemein-
samen Angelegenheiten in der ständischen Epoche im $ 5 fol-
gendermaßen: „Ehedem verfügten in Betreff Ungarns bezüglich
alles dessen, was sich auf die erwähnten Verhältnisse be-
zog, der ungarische Reichstag und der ungarische König im ge-
meinsamen Einverständnisse und bei Feststellung dieser Ver-
fügungen hatte kein anderes Land Einfluß; denn der ungarische
König als absoluter Monarch der übrigen unter
seiner Herrschaft stehenden Länder (!) verfügte über