— 125 —
nicht berührt werde oder: Ungarn soll von seinen Behörden
verwaltet und nach seinen Gesetzen regiert werden in jenen
Belangen, welche von der Zentralisation nicht erfaßt sind, in
welchen nicht bereits Behörden bestehen, die nicht nur die seinen
sind. Diese Auslegung findet denn auch ihre Bestätigung da-
durch, daß die vor der Unabhängigkeitsformel bestehenden Zen-
tralbehörden auch nachher unangefochten fortbe-
standen haben. Die Schlußformel des GA. X: 1790/91,
wonach Ungarn nicht ad normam aliarum Provineiarum regiert und
verwaltet werden soll, ist, wie aus ihrem Inhalt zu ersehen ist,
nicht neu, sondern zum erstenmal ım GA. III: 1715 enthalten.
Nun ist Ungarn vor und nach 1715 und vor und nach 1791, s o-
weit die Zentralisation vollzogen war, more oder ad nor-
mam aliarum provinciarum, nach 1791 sogar auf Grund gesetz-
licher Bestimmungen unter Teilnahme ungarischer Räte regiert*
und verwaltet worden. Somit bewegt sich auch die Unabhängigkeits-
formel im Rahmen der eigenartigen ständischen Anschauung, daß
durch die bloße Konsolidation der monarchischen
Prärogativen der äußeren Verwaltung, des Heeresbefehles,
der höchsten Beratung der Landesangelegenheiten, der Verwaltung
der Kammereinkünfte und Subsidien die Unabhängigkeit des
Landes, die sich nach ständischer Auffassung in den Rechten der
Landschaft oder der Stände erschöpfte, nicht berührt
werde, weil es sich um die Prärogativen des Monarchen und
nicht um jene der Stände handle“. Die Unabhängigkeit bleibt
somit gewahrt, wenn die zum Dezernat berufenen Landesbe-
hörden in ihrer Zuständigkeit belassen (Art. X), Gesetze grund-
4 TEZNER, Landesfürstliche Verwaltungsrechtspflege I S. 138 A. 57.
TEZNER, Der Kaisertitel 8. 54, 133.
“ A. a. O. S. 56. So verweist DEAK in seiner Rede vom 28. März
1869 für den Ausgleich im ung. Abgeordnetenhause, daß die Stände im GA.
IT 1796 Subsidien für das Kaiserlich Königliche Heer bewil-
ligten, wobei königlich nicht königlich ungarisch ist. Neue freie Presse,
Abendblatt vom 29. März 1867 N. 925 S. 2.