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nicht contra legem. Das durch Kriege und innere Unruhen er-
schöpfte Ungarn fügte sieh in die zentralistischen Einrichtungen
und erblickte in ihnen eine Bürgschaft seines Fortbestandes. Die
grundsätzliche Anerkennung der ständischen Subsidiarpflicht für
die reguläre Miliz im Jahre 1715, die pragmatische Sanktion des
Jahres 1721/22 und die bei dieser Gelegenheit u. z. am 28. Sep-
tember 1722 abgegebene Erklärung der Stände an den König, daß
sich Ungarn zu seinem Heile schon vor nahezu 200 Jahren in den
Schatten des königlichen Adlers geflüchtet habe °?, lassen keinen
Zweifel daran aufkommen, daß die zentralistischen Einrichtungen
von den Ständen selbst in dieser Weise gewürdigt worden
seien.
V., Staatsrechtlicher Charakter und staatsrechtliche
Wirkungen der österreichischen Zentralisation.
I. Die von Apponyi in seinen Essays geleugnete Mediati-
sierung oder Nullifizierung im Rahmen der vollzogenen
Aentralisation wird, wie gezeigt, als tatsächlicher
Zustand von Ferdinandy und Andrässy zugestanden und ist von
Apponyi selbst in seinem im Forum übersetzten Abriß der
ungarischen Verfassungsentwicklung als ein von den österreichischen
Herrschern bewirkter „Schein eines Gesamtreiches“* charakterisiert
worden. Das Ergebnis der Zentralisation — so wird diese Charak-
teristik gerechtfertigt — erschöpft sich doch in bloßen Be-
hördenorganisationen, die nur in einem fürsten-
dienstlichen Verhältnis zum Herrscher gestanden seien,
somit einer Beziehung zum Staate entbehrt hätten°*. Allein die
Zentralisation führte zunächst zur Konstituierung einer einheit-
lichen, persönlich ausgeübten Herrschergewalt, die sich
durch die Verwendung kaiserlicher Behörden für den Zweck der
53 TURBA, Die pragmatische Sanktion mit besonderer Rücksicht auf die
Länder der Stefanskrone (1906) S. 195.
5: Separatabdruck 8. 11, 14f.