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nehmenden Feststellungen auf der durch Art. 60 geschaffenen
Rechtsgrundlage.
Eine andere wesentliche Frage ist die, welcher tatsächliche
und rechtliche Zustand eintritt, wenn einmal kein Friedenspräsenz-
gesetz zustande kommt.
Da die Praxis bisher regelmäßig durch Gesetze begrenzter
Gültigkeitsdauer die Präsenzstärke fixiert hat, die Schwierigkeiten
aber, die dem Zustandekommen derartiger gesetzlicher Bestimmungen
begegnen, notorisch sind, ist es sehr wohl denkbar, daß das immer
nur mit schwerem Herzen eingegangene Kompromiß einmal nicht
erwirkt, und eine Einigung über die Friedenspräsenzstärke im
Wege der Reichsgesetzgebung nicht erzielt werden kann. Die
Besorgnis, ob und wie dann die infolge des Fehlens des in Art. 60
gedachten Gesetzes entstehende Lücke wohl ausgefüllt werden
könnte, hat mit der Verfassung das gleiche Geburtsjahr. Die An-
sichten in der staatsrechtlichen Praxis und Wissenschaft gehen
hier sehr weit auseinander®®. Aber soviel steht jedenfalls fest,
daß der tatsächliche und rechtliche Bestand des Reichsheeres durch
das Fehlen eines Präzenzgesetzes nicht gefährdet werden würde.
Den Bestand der Heeresstärke garantieren die Verfassungs-
bestimmungen über Wehrpflicht und Dienstzeit und die ihrer Zahl
nach dauernd festgestellten taktischen Einheiten.
3 Bismarck in der Reichstagssitzung vom 11. Januar 1887. Sten. Ber.
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