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17. Dezember knüpft“, um die Worte Andres’ zu ge-
brauchen, „in augenfälliger Weise an die alte ständische Ver-
fassung an und putzte diese nur modern heraus“’. Dem Rechte
des Ständestaates nun war der Landtagsabschied eine bekannte
Institution; wurden doch in den Jahren 1509—1798 nahezu 150
Landtagsabschiede verkündet®. Erreichte auch, nachdem noch
im Jahre 1803 der letzte Landtag gehalten worden war, der alter-
tümliche ständische Staat im Jahre 1806 mit der Erklärung des
Großherzogtums zur absoluten Monarchie ein definitives Ende,
so blieb doch die Erinnerung an ihn in mancher Beziehung wach;
das großherzogliche „Edict über die landständische
Verfassung des@roßherzogthums Hessen“ vom
18. März 1820, das als Grundlage für die noch im selben
Jahre zwischen dem Landesherrn und den Kammern vereinbarte
Verfassung diente, lehnt sieh deutlich wahrnehmbar an die alt-
ständische Verfassung an. Der Artikel 27 dieses Ediktes, der die
Schließung der Ständeversammlung zum Gegenstand hat, ist nun
fast wörtlich in die Verfassungsurkunde (Artikel 101) überge-
gangen, und das 1874 erlassene Gesetz, die landständische Ge-
schäftsordnung betreffend ?, hat diesen Artikel 101 dem Wort-
laute nach genau übernommen (Artikel 57).
Ich vertrete nun, was die Bedeutung des Landtagsabschieds
im hessischen Staatsrecht betrifft, den Standpunkt, daß dieser
sich lediglich als eine geschichtliche Reminiszenz an längst ver-
gangene Zeiten darstellt, m. a. W., daß ihm eine rechtliche
” Die Einführung des konstitutionellen Systems im Großherzogtum
Hessen 8. 41. — Hierzu muß jedoch bemerkt werden, daß die vielfache
Uebereinstimmung von Erscheinungen des Feudalstaates mit solchen des
heutigen Verfassungsstaates meist nur eine äußerliche ist; es wäre voll-
kommen verfehlt, wollte man moderne Institutionen als natürliche Fort-
setzungen von ‘gleichnamigen Erscheinungen des Patrimonialstaates an-
sprechen. Vgl. auch SEYDEL a. a. O. S. 348.
® Vgl. Weıss, Hessisches Staatsrecht S. 38.
® Vgl. van CALKER, Hessische Verfassungsgesetze S. 220 ff.