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Bedeutung im Staatsrechte der hessischen Monarchie des 19. Jahr-
hunderts überhaupt nicht mehr zukommt: der Landtagsab-
schied ist seit der Verfassung von 1820 eine
Förmlichkeit, über die. ohne daß esirgend etwas
verschlüge, gerade so guthinweggegangen wer-
den könnte.
Zweifellos kam im alten ständischen Staate dem Landtags-
abschiede eine andere Bedeutung zu als dem Landtagsabschied im
modernen Verfassungsstaat!®. In Zeiten, wo von dem Grundsatze,
daß die Stände die Interessen des gesamten Volkes zu vertreten
haben, noch nichts zu sehen war, ging das ausschließliche Be-
streben der Landstände dahin, ihre Rechte und Privilegien nach
Möglichkeit zu erhalten und zu erweitern. Es bildete sich nun
der Brauch heraus, daß in der Regel nach einem Thronwechsel
der neue Landgraf den Ständen ihre Gerechtsame durch urkund-
liche Anerkennung noch besonders bestätigte. Und eine derartige
Bestätigung enthielt der die Zusammenkünfte beschließende Land-
tagsabschied. Hier ist also der Abschied als Verbriefung der
ständischen Rechte für die Abgrenzung der landesherrlichen
Gerechtsame von denen der Landstände von der allergrößten Be-
deutung. Die Volksvertretung der konstitutionellen Monarchie,
in ihrem Wesen der schärfste Gegensatz zu den einstigen Land-
ständen, vertritt das gesamte Volk. Ein Schacher mit dem Landes-
herrn um die Abgrenzung der gegenseitigen Rechte ist undenkbar
geworden, die Bestätigung von ständischen Rechten im Landtags-
abschiede ein Ding der Unmöglichkeit. So ist der Landtags-
abschied seines wesentlichen Inhaltes beraubt worden; aber die
alteForm, die Schale, ist erhalten geblieben: auch
heute noch beschließt derLandtagsabschied die
Ständeversammlung.
Wie erwähnt. bringt der erste Teil des Landtagsabschiedes
die Entschließungen des Großherzogs auf die Kammerbeschlüsse,
10 Vgl. Weıss a. a. O. S. 40; van CALKER 8. 70.