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Pflicht der Regierung herleiten, die Wünsche der Volksvertretung
zu berücksichtigen, ganz abgesehen von der oben zitierten Stelle
des Ediktes. Auch die Regierung steht auf diesem Standpunkt,
wie sich schon aus der Verhandlung der zweiten Kammer vom
7. Oktober 1820 ergibt. Damals war die Frage angeschnitten
worden, ob der Fall eintreten könne, daß die Regierung Kammer-
anträge überkaupt keiner Antwort würdigen werde. Der Regierungs-
vertreter hielt diesen Fall für undenkbar, weil „die Regierung
auf jeden Antrag der Stände antworten mu& und die Besorgnis,
daß sie nicht antworten wolle, in unverdientem Mißtrauen beruht.“
Hat nun auch die Regierung in allen seit 1821 erlassenen Land-
tagsabschieden den ständischen Petitionen ihre Berücksichtigung
zuteil werden lassen, sich also, wie man füglich behaupten kann,
zur Beantwortung der Petitionen stets für verpflichtet gehalten,
so folgt hieraus noch nichts zugunsten einer staatsrechtlichen
Bedeutung des Landtagsabschieds. — Zunächst muß auffallen, daß
ein Landtagsabschied nur erfolgt im Falle eines Schlusses des
Landtags, also nur dann, wenn alle ständischen Geschäfte ordnungs-
mäßig erledigt worden sind; dies folgt schon aus Artikel 101
der Verfassungsurkunde und aus den Eingangsworten der Ab-
schiede 1%. Wird der Landtag aufgelöst, so unterbleibt der Erlaß
eines Landtagsabschiedes; es erfolgt lediglich eine Bekanntmachung
im Regierungsblatte, woselbst die landesherrlichen Entschließungen
auf die während der letzten Ständeversammlung von den Kammern
überreichten gemeinschaftlichen Beschlüsse zur allgemeinen Kennt-
nis gebracht werden '. Hieraus ergibt sich mit Deutlichkeit, daß
die Regierung bei Beantwortung der Petitionen — von der münd-
lichen Antwort ganz abgesehen — nicht allein auf die Mitteilung
der Antwort im Landtagsabschied beschränkt ist, dieser also mit
dem Petitionsrechte nicht in so nahe Beziehung gebracht werden
darf dergestalt, daß Petitionsrecht und Erwiderungspflicht der
6 Vgl. Weiss 8. 477.
17 Vgl. Hess. RegBlatt 1866 S. 532/533.