Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

— 198 — 
fassungsänderungen vorgeschriebenen Regeln unterliegt. Wenn 
z. B. auf Grund des Art. 4 der Reichsverfassung das Bürgerliche 
Gesetzbuch erging, so war einfache Stimmenmehrheit in Bundes- 
rat und Reichstag zur Gültigkeit dieses Gesetzes ausreichend. 
Würde dagegen die Reichsverfassung den genannten Artikel 4 
nicht enthalten, so wäre der Erlaß des BGB. als eine Erweiterung 
der Kompetenz des Reiches auf Kosten der Bundesstaaten anzu- 
sehen gewesen, und Art. 78 der RV. würde zur Anwendung ge- 
kommen sein. 
Noch eine weitere, allerdings nur negative Bedeutung kommt 
den Gesetzesankündigungen zu. Wenn nämlich auf Grund der 
betr. Verfassungsbestimmung das in Aussicht gestellte Gesetz er- 
lassen ist, so kann es — ob zwar auf einfachem Gesetzeswege 
erlassen — nurim Wege der Verfassungsänderung aufgehoben? 
werden. Bleiben wir bei dem oben erwähnten Beispiele des BGB., 
so schließen wir, daß, wenn die gesetzgebenden Faktoren auf 
irgend einem bereits im BGB. reichsrechtlich geregelten Gebiete 
wieder die Zuständigkeit der Einzelstaaten festsetzen wollten, sie 
dies nur auf dem Wege der Verfassungsänderung tun 
könnten. Denn mit dem Erlaß des BGB. ist RV. Art. 4 No. 13 
gewissermaßen zum vollen Austrag gelangt, und die reichs- 
rechtliche Regelung des Zivilrechts in seiner Gesamtheit ist nun- 
mehr Bestandteil der Verfassung selbst geworden. 
Ist nun aber mit dem Gesagten die Bedeutung der Gesetzes- 
ankündigungen in Verfassungsurkunden erschöpft? Ergehen der- 
® Die Abänderung ist selbstverständlich auf einfachem gesetz- 
lichen Wege möglich. Eine Art Legalbeweis hierfür gibt übrigens Art. 65 
bis 68 der preußischen Verfassung, wonach die die Bildung der I. Kammer 
betr. Königliche Verordnung nur durch ein mit Zustimmung der Kammern 
zu erlassendes Gesetz abgeändert werden kann. Eine vollständige 
Aufhebung der königlichen Verordnung könnte aber natürlich nur gemäß 
den erschwerenden Bestimmungen des Art. 107 stattfinden, denn durch 
die Aufhebung der Verordnung — sodaß also der König bei seinen Er- 
nennungen an keine besonderen Regeln gebunden wäre — würde Art. 65 
bis 68 Abs. 1 tatsächlich auch abgeschafft werden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.