Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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sonderten Untersuchung für den Land- und den Seekrieg nicht 
bedarf. 
Die Pflicht der neutralen Macht ist im allgemeinen dahin 
aufzufassen, daß der neutrale Staat keinen der Kriegführenden in 
der Führung des Krieges unterstützen oder behindern darf. Ver- 
letzung der Neutralität ist daher beispielsweise die Gewährung 
von Hilfstruppen und die Lieferung von Waffen und anderem 
Kriegsmaterial. Der neutrale Staat darf auch für keinen tatsäch- 
lich Partei ergreifen. (Vgl. v. LiszT, Völkerrecht, 6. Aufl. S. 330.) 
Im Haager Abkommen V Kap. I Art. 2 und 5 Abs. 1 ist bestimmt, 
daß eine neutrale Macht nicht dulden darf, daß durch ihr Gebiet 
für die Kriegführenden Truppen oder Munitions- oder Verpflegungs- 
kolonnen geführt werden. Damit ist zugleich gesagt, daß sie auch 
die Bildung derartiger Kolonnen auf ihrem Gebiete nicht dulden 
und am allerwenigsten selbst derartige Kolonnen zur Unterstützung 
einer kriegführenden Partei bilden darf. Für den Seekrieg be- 
stimmt Abkommen XIII Art. 6, daß „die von einer neutralen 
Macht aus irgendwelchem Grunde unmittelbar oder mittelbar be- 
wirkte Abgabe von Kriegsschiffen, Munition oder sonstigem Kriegs- 
material untersagt“ sei. Es geht aus beiden Bestimmungen her- 
vor, daß der neutrale Staat sich aller derjenigen Handlungen zu 
enthalten hat, durch welche er unmittelbar oder mittelbar die 
Angriffs- oder Widerstandskraft eines Kriegführenden unterstützt 
und erhöht. 
Es ist nun die Frage, ob die Entsendung von Aerzten und 
die Lieferung von Heilmitteln unter die genannten Vorschriften 
fällt. Diese Frage ist zu verneinen. Die Abkommen sprechen 
von der Abgabe von Munition und anderem Kriegsmaterial und 
von Munitions- und Verpflegungskolonnen. Zweifellos sind Heil- 
mittel und Verbandstoffe keine Munition; aber sie fallen auch 
nicht unter die Kategorie des „anderen Kriegsmaterials“ und dienen 
auch nicht zur „Verpflegung“ der Truppen. Unter dem „Kriegs- 
material“ sind nur solche Gegenstände zu verstehen, deren Zweck
	        
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