— 206 —
sonderten Untersuchung für den Land- und den Seekrieg nicht
bedarf.
Die Pflicht der neutralen Macht ist im allgemeinen dahin
aufzufassen, daß der neutrale Staat keinen der Kriegführenden in
der Führung des Krieges unterstützen oder behindern darf. Ver-
letzung der Neutralität ist daher beispielsweise die Gewährung
von Hilfstruppen und die Lieferung von Waffen und anderem
Kriegsmaterial. Der neutrale Staat darf auch für keinen tatsäch-
lich Partei ergreifen. (Vgl. v. LiszT, Völkerrecht, 6. Aufl. S. 330.)
Im Haager Abkommen V Kap. I Art. 2 und 5 Abs. 1 ist bestimmt,
daß eine neutrale Macht nicht dulden darf, daß durch ihr Gebiet
für die Kriegführenden Truppen oder Munitions- oder Verpflegungs-
kolonnen geführt werden. Damit ist zugleich gesagt, daß sie auch
die Bildung derartiger Kolonnen auf ihrem Gebiete nicht dulden
und am allerwenigsten selbst derartige Kolonnen zur Unterstützung
einer kriegführenden Partei bilden darf. Für den Seekrieg be-
stimmt Abkommen XIII Art. 6, daß „die von einer neutralen
Macht aus irgendwelchem Grunde unmittelbar oder mittelbar be-
wirkte Abgabe von Kriegsschiffen, Munition oder sonstigem Kriegs-
material untersagt“ sei. Es geht aus beiden Bestimmungen her-
vor, daß der neutrale Staat sich aller derjenigen Handlungen zu
enthalten hat, durch welche er unmittelbar oder mittelbar die
Angriffs- oder Widerstandskraft eines Kriegführenden unterstützt
und erhöht.
Es ist nun die Frage, ob die Entsendung von Aerzten und
die Lieferung von Heilmitteln unter die genannten Vorschriften
fällt. Diese Frage ist zu verneinen. Die Abkommen sprechen
von der Abgabe von Munition und anderem Kriegsmaterial und
von Munitions- und Verpflegungskolonnen. Zweifellos sind Heil-
mittel und Verbandstoffe keine Munition; aber sie fallen auch
nicht unter die Kategorie des „anderen Kriegsmaterials“ und dienen
auch nicht zur „Verpflegung“ der Truppen. Unter dem „Kriegs-
material“ sind nur solche Gegenstände zu verstehen, deren Zweck