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kriegführenden Macht die auf dem Schiffe einer neutralen Macht
vorgefundenen Heilmittel und Verbandstoffe für sich selbst fordern
darf, wenn gewichtige militärische Erfordernisse vorliegen, z. B.
also, wenn das Kriegsschiff oder das Geschwader, zu dem es gehört,
selbst Mangel an Heilmitteln leidet. Für die Ueberlassung der Gegen-
stände und Stoffe hat sein Staat dann jedoch die entsprechende
Entschädigung zu leisten. In allen anderen Fällen, also grund-
sätzlich, sind Heilmittel und Verbandstoffe nicht Konterbande.
Daraus folgt, wie ich meine, mit Notwendigkeit, daß der neutrale
Staat berechtigt ist, diese Gegenstände an den Kriegführenden zu
liefern.
Dasselbe, was für die Lieferung von Heilmitteln Rechtens
ist, gilt auch hinsichtlich der Entsendung von Aerzten und an-
deren Sanitätspersonen zugunsten einer kriegführenden Macht.
Auch hier kann man nicht sagen, daß diese Personen des-
halb zu dem Kriegführenden geschickt werden, um seine Kampf-
kraft zu erhöhen, indem sie die Verwundeten heilen und ihnen
somit später die erneute Teilnahme am Kriege ermöglichen; son-
dern es ist auch hier davon auszugehen, daß die Aerzte mit der
Absicht entsandt werden, die Gesundheit der Kranken und Ver-
wundeten wiederherzustellen, daß also in erster Linie humanitäre
Rücksichten maßgebend sind, und daß der später möglicherweise
stattfindende Wiedereintritt in das kämpfende Heer nur als die
— zunächst nicht gewollte — Folge der Heilung anzusehen ist.
Dabei kann es auch keinen Unterschied machen, ob die von der
neutralen Regierung entsandten Aerzte private Aerzte, also Zivil-
personen, oder Militärärzte, also Soldaten, sind. Die Militärärzte
sind zwar zweifellos Soldaten im staatsrechtlichen Sinne, nicht
jedoch im völkerrechtlichen Sinne; denn sie müssen im Kriege
unter allen Umständen geachtet und geschützt werden und dürfen,
wenn sie in die Hände des Feindes fallen, nicht als Kriegsgefangene
behandelt werden, II. Genfer Konvention vom 6. Juli 1906 „zur
Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken bei den