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Inbalt und Sinn der Genfer Konvention keine Rede sein. Die
Ansicht v. ULLMANNs erscheint deshalb unbegründet, und es steht
meines Erachtens völlig im Belieben der neutralen Macht, ob sie
auch ihre Hilfe der zweiten kriegfühbrenden Macht zuteil werden
lassen will. Ich glaube deshalb, um auf besagten praktischen
Fall zurückzukommen, daß, falls Rußland Aerzte und Heilmittel
für das montenegrinische Heer entsendet hat, die Türkei nicht
einen Anspruch auf Lieferung der nämlichen Hilfsmittel hatte, und
daß, falls die russischen Aerzte gemäß Anweisung in Montenegro
nur die montenegrinischen Verwundeten behandelten, die Türkei
nicht verlangen konnte, daß die russischen Aerzte auch ihre von
den Montenegrinern gefangen genommenen Verwundeten behandel-
ten. Gegenüber der montenegrinischen Regierung stand die Türkei
auf Grund der Genfer Konvention ein solcher Anspruch zu. Gegen
eine neutrale Macht hat sie jedoch einen solchen Anspruch nicht;
denn die neutrale Macht, die Aerzte an einen Kriegführenden
entsendet oder ihm Heilmittel liefert, handelt erlaubt und ver-
stößt nicht gegen die Vorschriften der Neutralität; wenn sie aber
frei und erlaubt handelt, muß ihr auch das Recht zustehen, inner-
halb der zulässigen Grenzen demjenigen zu helfen, dem sie helfen
will.