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stischen Bestandteilen, so gibt die gemeine Erfahrung also nur
den kleinsten Teil dessen, was zur Entscheidung der Tatfrage
nötig ist, nämlich nur die Antwort auf die Frage nach dem histo-
rischen Verlaufe. Alles andere, die Frage nach der äußeren Zu-
rechnung (Kausalzusammenhang, Urheberschaft, Gehilfenschaft),
ferner die Fragen, ob Vorsatz, Fahrlässigkeit, rechtswidrige Ab-
sicht vorliegen, kann nur von einem Rechtsgelehrten beantwortet
werden. FEUERBACH sagt mit Recht: „Sammelt über diese und
andere Fragen der Handwerker in seinem Geschäfte, der Kauf-
mann bei seinen Kunden, der Arzt vor dem Krankenbette die
nötige Kenntnis und Uebung ein? Der gemeine Verstand der
Geschworenen wird zwar am Einde, weil er muß, seine Meinung
finden, vielleicht sogar schneller finden, als der bedächtlich
prüfende Rechtsgelehrte. Allein mit verbundenen Augen trifft
man allenfalls nur zufällig das Ziel, und der Angeklagte, der
heute von seiner Jury das Schuldig gehört hat, würde vielleicht
morgen von einer anderen mit einem Nichtschuldig straflos
davongegangen sein.“
Nachdem FEUERBACH diese grundsätzlichen und grundstürzen-
den Bedenken gegen das Schwurgericht als strafrechtliche Austalt
vorgebracht hat, besprieht er mit der gleichen überlegenen Sach-
kenntnis noch einige spezielle Fragen der Juryorganisation. Wenn
schon der gemeine Verstand das Orakel ist, so muß die intellek-
tuelle Freiheit der Jury auf das sorgfältigste gewahrt werden.
Wo irgend etwas sich zwischen die Verhandlungen der Jury und
das eigene freie Auge des Verstandes drängt, wo über diesen
irgend eine Vormundschaft ausgeübt wird, da ist nicht mehr das
rechte Geschworenengericht vorhanden. Und doch haben alle
neueren Gesetzgebungen die Selbständigkeit des Schwurgerichts
beschränkt. Alle zeigen damit das größte Mißtrauen gegen die
gepriesene Untrüglichkeit des gemeinen Verstandes. Es gilt dies
vor allem von der Verteidigung des Angeklagten und der Infor-
mation oder Rechtsbelehrung durch den Vorsitzenden.