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wäre sehr wohl möglich, das Resultat durch einzelne Beispiele (ich denke
z. B. an das Verbot der Thingfahrt für den Missetäter, an den fjorbaugs-
garetr) zu erhärten. Hier ist nicht der Raum dazu. Wohl aber soll
noch einmal betont werden, daß HEUSLERs Arbeit als geistvolle Systema-
tisierung des von den Sagen gebotenen Materials stets ihren Wert behalten
wird.
Würzburg. Ernst Mayer.
Dr. Joseph Poetschh Die Reichsacht im Mittelalter und be-
sondersin derneueren Zeit. Breslau 1911, M. u. H. Marcus
(Gierkes Untersuchungen, 105).
Man sieht der Arbeit sofort an, daß sie aus einer Beschäftigung mit
der Gerichtsverfassung der letzten Reichszeit hervorgegangen ist. Die
Ausführungen über die Verhältnisse des späteren Mittelalters sind offenbar
erst nachträglich zur Orientierung entstanden und entbehren so im allge-
meinen besonderen Werts. Der Verfasser ist hier im Material nicht wesent-
lich über das hinausgekommen, was bereits FRANKLIN gebracht hat. In
Wirklichkeit sind die Phänomene komplizierter, als des Verfassers Schil-
derung vermuten läßt. Wenn man z.B.an die Formen des skandinavischen
Strafrechts denkt, wird man die Ableitung der ipso iure eintretenden Reichs-
acht aus kanonischem Recht (S. 57) bezweifeln. Ebensowenig trifft es über-
all zu, daß die Gerichte der Territorialberren nicht fähig waren, die Reichs-
acht zu verhängen; einige, noch zu vermehrende Beispiele in meiner D.
fr. VGS. IS. 213 f. — Weit wertvoller ist das, was der Verfasser über das
Achtverfahren seit dem 16. Jahrhundert beibringt. Einzelne Bedenken
wird man auch hier erheben können. So ist der Einfluß der romanistischen
Kaiserideen auf die Kompetenz der höchsten Reichsjustiz (S. 82), nament-
lich aber auch das zeitweilige Zurücktreten des Fürstenrechts (S. 95) nicht
ganz erfaßt. Man vermißt auch die Einarbeitung der so wertvollen Re-
sultate, welche M. RITTER mit seiner deutschen Geschichte im Zeitalter der
Gegenreformation gewonnen hat, Aber im ganzen gibt doch der Verfasser
eine interessante Darstellung des jüngsten Achtverfahrens und man darf
ihm dafür dankbar sein.
Würzburg. Ernst Mayer.
Rudolph Sohm, Die fränkische Rechts-und Gerichtsverfas-
sung. Leipzig, Duncker & Humblot 1911 (Unveränderter Neudruck).
Ein nicht gewöhnliches Ereignis: Ein Buch, das seit bald 40 Jahren
zu den kräftigsten Fermenten in der europäischen historischen Literatur
zählt, ist genau in der Form wieder gedruckt worden, in der es zuerst an
das Tageslicht trat. Daß das das richtige Verfahren war, ist kein Zweifel.
Denn gerade auf die Reichs- und Gerichtsverfassung in ihrer ursprünglichen
Gestalt muß der Forscher allemal wieder zurückgehen, und sie war auf