dem Büchermarkt kaum mehr erschwinglich. Sonmms Buch ist eben keine
vorübergehende Erscheinung, sondern ein für alle Zeit wirkendes Ereignis
gewesen. In vielen Detailpunkten ist ja die spätere Forschung zu anderen
Resultaten gekommen. Aber auch abgesehen von den sehr zahlreichen
Fällen, wo SOHM auch im einzelnen für alle Zeit das Richtige traf, ist das
Buch im ganzen vorbildlich und maßgebend geworden. Es ist geschrieben
zu einer Zeit, in der, wenn man von PAuL RortHs Untersuchungen absieht,
die Verfassungsgeschichte vollständig in der Hand nicht juristischer Histo-
riker, in der Hand von Waıtz vor allem lag. Diese Richtung aber
leidet, wie das im letzten Dezenium wiederum so breit sich gezeigt hat,
an der Unfähigkeit, die juristischen Zusammenhänge zu erfassen. Sie be-
gnügt sich mit einer äußerlich statistischen Beschreibung, so daß man weit-
hin eine Vorstellung von dem Wesen überhaupt nicht erhält. Wo dann
aber konstruiert wird — und ganz kann sich dem auch jene Richtung nicht
entziehen —, da arbeitet man unmittelbar quellenwidrig, legt die flachen
allgemeinen Begriffe der modernen Tagespolitik zugrunde. Der freie Ger-
mane im Sinne von WAITZ z.B. ist nichts anderes als der freie Bauer, wie
ihn der Liberalismus aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sich wünschte.
In diese Unklarheit und diesen Dilettantismus ist SOHM mit dem Feuer
eines jungen Kriegers hineingefahren. Er hat mit aller Schärfe immer
wieder gelehrt, daß das Recht Recht bleibt und deshalb juristisch erfaßt wer-
den muß, auch wenn es einer vergangenen Periode angehört. Die juristische
Erfassung des Rechts aber bedeutet, daß man die Rechtssätze auf diejenige
Methode gewinnt, die man zuerst für die Wissenschaft des römischen
Rechts gefunden und dann auch auf die anderen juristischen Disziplinen
übertragen hat. Danach darf man sich nicht wie die Historiker mit den
verstreuten Einzelheiten begnügen, welche die Urkunden bezeugen, sondern
wie man z. B. aus den einzelnen Detailangaben der Digesten die allgemei-
nen Rechtssätze abstrahiert hat, so muß man aus dem vorhandenen Mate-
rial, den Urkunden und Chroniken, vor allem aber aus den von den Histo-
rikern gewöhnlich vernachlässigten Rechtsbüchern, die aber auch gewöhn-
lich noch immer nur Einzelheiten geben, wenn sie schon eine viel weitere
Aussicht gewähren, es muß, sage ich, aus diesem Material die Regel (die
Konstruktion) gewonnen werden Das ist dann keine Hypothese, wie jene
andere juristisch ungeschulte Richtung meint, sondern das unter exakter
Induktion gewonnene — aber durch Urkunden nie direkt bezeugte Endresul-
tat. Niemand hat schärfer als SoHM dieses juristische Konstruieren ver-
gangenen Rechts verstanden. Wie z. B, zwischen öffentlichem Recht und
privatem (grundherrlichen) Recht geschieden werden muß, wie ferner die
eigenartige Sphäre des Königsrechts von der des Volksrechts sich abhebt,
das hat er mit genialer Intuition und sorgsamster Beweisführung festgestellt.
Und bei aller Schärfe herrscht in dem machtvollen Buch doch auch schon
jener edle, selbstlose, objektive Sinn, der den Gegner zwar bekämpft, aber