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der herangezogenen Schriften, Aeußerungen und Erscheinungen recht will-
kürlich. Die kirchenpolitischen Bestrebungen waren bis in das 19. Jahr-
hundert viel zu international, als daß ın einer solchen Uebersicht Oester-
reich, Spanien. die Skandinavischen Lande ganz fortfallen durften. Wenn
man mit dem Mittelalter anfängt, muß man doch wohl auch ein Wort über
die Renaissance in Italien sagen, über den Protestantismus in Frankreich,
über die Grundsätze, die von der Gegenreformation bekämpft wurden. Das
zusammengetragene Material steht nur in einem notdürftigen chronologi-
schen Zusammenhang. ROTHENBÜCHER verfügt nicht über jene historische
Anschauungskraft, die imstande ist, von der modernen. Auffassung so weit
loszukommen, daß sie uns in zwei, drei Worten in den Geist vergangener
Zeiten hineinführt und uns aus diesem Geist heraus die Aeußerungen der
Zeit beurteilen läßt. Wir merken zu deutlich, daß er uns alle durch seine
Brille sehen läßt; und seine Augen sind immer halb auf die gegenwärtige
politische Lage der römischen Kirche gerichtet. — Die Anzahl der Zitate
verrät umfassende Literaturkenntnis.
Il. Den ersten Hauptteil des Buches (S. 113—432) bildet eine Darstel-
lung der Rechtsordnung einzelner Länder, in denen die Trennung von Staat
und Kirche durchgeführt ist. Nach Inhalt und Umfang sind die einzelnen
Darstellungen ungleichwertig. Der Löwenanteil fällt Frankreich zu (S. 187
bis 353). Auch die Vereinigten Staaten sind gründlich behandelt. Einige
andere Staaten (z. B. Brasilien, Equador, Genf, Holland) sind auf wenigen
Seiten abgetan.
Die französischen Verhältnisse sind historisch entwickelt; von der Re-
volution an. Da die Drucklegung des Buches ein Abbrechen im Dezember
1907 zur Folge hatte, ist leider dieser Abschnitt veraltet; denn die gegen-
wärtige ruhige Entwicklung setzt in Frankreich ja-erst später, nach voll-
ständigem Ausbau der Kirchengesetzgebung ein. Vielleicht unternimmt
ROTHENBÜCHER einmal eine gesonderte ausführliche Darstellung des der-
zeitigen rechtlichen Zustandes in Frankreich, wie er es berichtend in seiner
Abhandlung: „Wandelungen in dem Verhältnis von Staat und Kirche in der
neueren Zeit“ (Jahrb. des öff. Rechts, Bd. 3 S. 336 ff.) zum Teil schon ge-
tan hat.
Der Frankreich gewidmete Teil seines Buches ist m. E. am besten
gelungen. Es ist seitdem manches Gute über die Lage in Frankreich ge-
schrieben worden. Wenn man die theologische Literatur heranzieht®, so
kann man sich auch einen Begriff davon machen, wie es der katholischen
Kirche in Frankreich gelingt, trotz der Trennung die politische Erziehung
des Volkes wieder in die Hand zu bekommen, so daß die gesetzliche Tren-
nung nicht so sehr als die einzig maßgebende Form für die Regelung der
Verhältnisse zwischen Staat und Kirche erscheint, wie das der Fall ist,
5 2. B. DupanLours L’oeuvre du catechisme.