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len Rechtskraft. Tatbestandswirkung ist nichts anderes als die Wirkung
der Verbindlichkeit und als solche eine Eigenschaft aller rechtsgeschäft-
lichen Staatsakte einschließlich der gesetzwidrigen, soweit sie nicht etwa
absolut nichtig sind: vgl. KORMANN System $. 199, 200 und S. 220 f.; meine
allgemeinen Ausführungen daselbst S. 200 sind allerdings wegen Nicht-
unterscheidung von Tatbestandswirkung und Feststellungswirkung mißver-
ständlich!, während ich in den speziellen Ausführungen S, 223, 224 über
die Verbindlichkeit richterlicher Akte für die Verwaltungsbehörden (freilich
nur instinktiv und auch hier ohne klare Erkenntnis der Unterscheidung
von Tatbestandswirkung und Feststellungswirkung) die richtige Fassung ge-
tıoffen habe. Dagegegen bildet die Feststellungswirkung das Wesen der
materiellen Rechtskraft, das ich a. a. O. S. 67, 365 und Grundzüge in An-
nalen 1912 S. 211 bereits dahin gekennzeichnet hatte, daß ein Staatsakt,
der der materiellen Rechtskraft genießt, wie z. B. ein Scheidungsurteil, sich
nicht beschränkt auf die Aenderung bestehender Rechtsverhältnisse, sondern
zugleich die grundsätzlich.unanfechtbare Feststellung über das Vorhanden-
sein der Voraussetzungen ihrer Zulässigkeit und Richtigkeit enthält; diese
Feststellungswirkung kommt im Gegensatz zu der Tatbestandswirkung nicht
jedem rechtsgeschäftlichen Staatsakt, sondern nur einer gewissen Gruppe
zu, für die ich die Bezeichnung Formalakte (vgl. KoRMAnN System $. 365,
Grundzüge a. a. O0.) vorgeschlagen habe, wobei jeweils noch die weitere
Frage nach den subjektiven Grenzen der (jedenfalls grundsätzlich auf das
Verhältnis der von der Feststellung betroffenen Parteien zu beschränken-
den) Rechtskraft auftaucht. — Wenn ich nach diesen positiven Darlegungen,
die nur äußerlich eine Abschweifung darstellten, wieder zu den Lehren von
STEIN zurückkehre, so glaube ich sagen zu dürfen: Aeußerlich in Termino-
logie und Konstruktion sehen sie allerdings anders aus, aber in den prak-
tischen Ergebnissen decken sie sich durchweg mit meinen Darlegungen.
Ein terminologischer Unterschied liegt darin, daß Stein lediglich den Be-
griff der Tatbestandswirkung aufstellt und ihm den Begriff der materiellen
Rechtskraft bzw. der bindenden Kraft entgegensetzt; das scheint mir zu-
nächst ein Schönheitsfehler zu sein, insofern die als Gegensätze benutzten
Ausdrücke nicht von einem gleichartigen Gesichtspunkt aus gebildet sind;
sodann würde ich es im Interesse der von mir vorgeschlagenen Bezeichnung
„ Verbindlichkeit“ bedauern, wenn Steins Vorschlag durchdränge, die ma-
terielle Rechtskraft, die nach dem vorhin Gesagten gerade im Gegensatz
zur Verbindlichkeit in meinem Sinn steht, als bindende Kraft zu bezeich-
! Ich würde heute dem dritten Absatz S. 200 durch Neueinfügung der
hier gesperrt gedruckten Worte folgende Fassung geben: „Keine Ein-
schränkung, sondern nur eine Erläuterung unseres Grundsatzes (der Ver-
bindlichkeit) ist es, daß dieGrundlagendes Verwaltungsaktes
insbesondere bloße Incidentfeststellungen’ nicht verbindlich sind“.
Archiv des öffentlichen Rechts. XXX. 1/2. . 17