Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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nen. Was weiter den Begriff der Tatbestandswirkung anlangt, so vermißt 
man bei STEIN eine scharfe Abgrenzung gegenüber dem Begriff der ma- 
teriellen Rechtskraft; eine schulgerechte Definition hat er nirgends versucht, 
was ja auch weiter kein Unglück wäre, wofern nur die Grenzlinie gegen- 
über dem Parallelbegriff wenigstens anschaulich geschildert wäre; aber 
auch das ist m. E. nicht geschehen; wenn STEIN S. 94 einander gegenüber- 
stellt den Fall, daß das bürgerliche Recht zum Moment seiner Tatbestände 
die Tatsache des Urteils selbst macht (Tatbestandswirkung) und den Fall, 
daß es zum Moment seiner Tatbestände „die im Urteile entschiedene 
Rechtsfolge“ macht, so muß man dagegen einwenden, daß dies überhaupt 
kein rechter Gegensatz ist, da die beispielsweise in einem Strafurteil aus- 
gesprochene Verurteilung des Angeklagten zu einem Jahr Gefängnis wegen 
Diebstahls ebenso die Tatsache des Urteils selbst wie auch die in dem Ur- 
teil „entschiedene Rechtsfolge“ darstellt; und wenn er S. 95 den Gegensatz 
dahin formuliert, daß bei der materiellen Rechtskraft es sich handle um 
„die Bindung an den Inhalt einer früheren Entscheidung“, bei der Tatbe- 
standswirkung hingegen um „die Berücksichtigung der Tatsache, daß ein 
Urteil bestimmten Inhalts ergangen ist“, so kommt das der richtigen Er- 
kenntnis allerdings näher als die erste Formulierung, gestattet aber doch 
wohl noch immer den Einwand, daß man nicht recht weiß, was unter der 
Bindung an den „Inhalt“ der früheren Entscheidung gemeint sei, und 
scheint mir richtig erst dann zu werden, wenn statt der Worte „Inhalt der 
Entscheidung“ die Worte „Feststellung der diese Entscheidung rechtferti- 
genden Tatsachen und Tatbestände“ gesetzt werden. So aber will es STEIN 
offenbar nicht verstanden wissen; denn die Beispiele, die er für die Tat- 
bestandswirkung bietet, sind durchweg von der Art, daß eine ausdrückliche 
gesetzliche Vorschrift das Vorbandenseln eines bestimmten Staatsaktes zum 
Tatbestandselement eines andern macht, also entsprechend den Fällen, die, 
wie vorhin hervorgehoben, bei reinen Feststellungsurteilen allein vorkom- 
men können; dagegen verweist Stein die diesen Fällen vorhin gegenüber 
gestellte Gruppe von Tatbestandswirkungen rechtsgestaltender Staatsakte 
ausdrücklich unter den Begriff der materiellen Rechtskraft, der bei ihm 
also ein viel weiteres Anwendungsgebiet findet als nach unserer Auffassung. 
Daß aber diese die richtigere ist, scheinen mir STEINs Ausführungen selbst 
durch zwei Gründe zu beweisen; einmal nämlich ergibt sich aus diesen 
Ausführungen, daß das, was Stein m. E. zu Unrecht unter den Begriff der 
materiellen Rechtskraft statt unter den Begriff der Tatbestandswirkung 
bringt, durchweg nicht den allgemeinen Grundsätzen über die materielle 
Rechtskraft folgt, nach welchen im ‘allgemeinen eine Erstreckung der Fest- 
stellungawirkung auf Behörden anderer Art zu verneinen ist, sondern viel- 
mehr den Grundsätzen über die Tatbestandswirkung, die für alle staatlichen 
Organe verbindlich ist (vgl. für rechtsgestaltende Verfügungen der freiwil- 
ligen Gerichtabarkeit 9. 99, für dieselben im Verbältnis zum Zivilprozeß-
	        
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