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spätere Ersitzung nämlich handelt es sich um eine und dieselbe Rechts-
beziehung des Eigentümers zu der Sache. Soweit es sich dagegen um die
Begründung von Forderungsrechten auf dieselbe Leistung handelt, entstehen
zwei Forderungsrechte, die miteinander nicht identisch, sondern lediglich
zweckidentisch sind, zunächst völlig selbständig nebeneinander sind und
nur vermöge des Grundsatzes von dem Untergang der Obligation durch
Zweckerreichung bei Befriedigung auch nur des einen von ihnen beide unter-
gehen; übrigens spricht ja auch Kıpp selbst, was ich vorhin deshalb wört-
lich zitiert habe, von „mehreren (!) Verpflichtungen“, und, wenn über diese
Mehrheit nebeneinander bestehender Rechtsbeziehungen überhaupt ein Zwei-
fel wäre, so müßte er verschwinden gegenüber BGB. 364 Absatz II, wo
ausdrücklich von einer „neuen Verbindlichkeit“ gesprochen wird, deren
Uebernahme aber die „alte“ im Zweifel nicht erlöschen läßt. Also auch
hier ist die von der herrschenden Meinung vollzogene unterschiedliche Be-
handlung beider Fälle innerlich gerechtfertigt.
Im übrigen scheint mir die ganze Frage mehr eine theoretische Kon-
struktionsfrage als von praktischer Bedeutung zu sein. Wenn Kıpp sich
wiederholt darauf beruft, daß nur von seiner Auffassung es gerechtfertigt
sei, wenn im Prozeß verschiedene Entstehungs- (S. 222) und Aufhebungs-
gründe (8. 223) bezüglich desselben Rechts oder die Anfechtung neben der
Nichtigkeit (S. 225, 226) geltend gemacht würden, so übersieht er S. 222
und S. 223, daß die Parteibehauptungen in solchen Fällen eben immer nur
alternativ gemeint sind und alternativ gewertet werden müssen, sowie 8. 223
und 8. 226, daß der Prozeßrichter zugunsten einer Partei, zu deren Un-
gunsten er entscheiden will, Unterstellungen vornehmen darf, insbesondere
z. B. die Unterstellung, daß der Beklagte, dessen Geisteskrankheit zur Zeit
des Vertragsabschlusses von ihm behauptet, aber vom Kläger bestritten
wird, der aber unstreitig das Geschäft später objektiv mit Grund, nach dem
vorhin Gesagten natürlich nur bedingt für den Fall der Nichtgeisteskrank-
heit, angefochten hat, nicht geisteskrank gewesen sei. Für den von KıPpp
S. 276, 277 erörterten.Rechtsfall erkennt er selbst an, daß auch die herr-
schende Meinung in der Lage sei, „durch kunstvolle Erwägungen“ ein un-
annehmbares Ergebnis zu vermeiden. In der Frage der Zulässigkeit von
Rechtsmitteln gegen einen absolut nichtigen Staatsakt habe ich a. a. O. ge-
zeigt, wie man auch bei Festhalten an dem strengen Nichtigkeitsbegriff
die an sich vielfach wünschenswerte Zulässigkeit rechtfertigen kann.
Praktisch wesentlich bedeutsamer ist ein Problem, das KUTTNER in
einer Studie „Ueber Urteilswirkungen und Genehmigung
des Vormundschaftsgerichts, besondersim römischen
Recht“ behandelt. Wennschon zivilprozeßrechtlich, darf sie m. E. doch
auch an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, da die gleichen Fragen, die
der Verfasser hier bezüglich der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung
aufwirft, in genau der gleichen Weise für die zahlreichen aufsichtsrecht-