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richter zur Verurteilung nur dann kommen kann, wenn er eine Pflicht-
widrigkeit des Ministers feststellt. Eine solche aber liegt sicherlich nicht
vor in denjenigen Fällen der vorhin bezeichneten zweiten Ausgabengruppe,
wo die Ausgabe gesetzlich ermächtigt war und daher eine Verpflichtung
zur Entlastung besteht. Aber auch in den Fällen, wo eine solche Ver-
pflichtung sich bloß daraus ergibt, daß die gemachte Ausgabe eine not-
wendige war, wird man von einer Pflichtverletzung nicht sprechen können,
und es gehört daher zur Zuständigkeit des Zivilrichters auch die Prüfung
der Frage, ob die fragliche Ausgabe eine notwendige war. Aus dem von
mir (vgl. KoRMANN System der rechtsgeschäftlichen Staatsakte S. 199 f.,
244 f.) gegenüber der Ausdehnung der Zuständigkeit der ordentlichen Ge-
richte so lebhaft verfochtenen Grundsatz der Verbindlichkeit der Ver-
waltungsakte kann gegen dieses Ergebnis nichts entnommen werden, da
dieser Grundsatz sich nur auf die Tatbestandswirkung (vgl. hierüber
meine Besprechung von STEINS Schrift Grenzen und Beziehungen zwischen
Justiz und Verwaltung in dieser Zeitschrift S. 253) der Entlastungserklärung
bezieht, nicht aber auf die Feststellungswirkung (vgl.a. a. O.) der Erklärung
der Volksvertretung, daß keine notwendige Ausgabe vorliege, zur Annahme
einer solchen Feststellungswirkung aber mangels einer besonderen gesetz-
lichen Vorschrift kein Grund vorliegt (vgl. STEIN a. a. 0.8. 104 f., 108). Eben-
sowenig kann gegen das gewonnene Ergebnis daraus ein Gegengrund ent-
nommen werden, daß umgekehrt das Gericht an eine erteilte Entlastung
in deren Umfang gebunden ist; denn diese Bindung beruht darauf, daß
durch die Entlastung etwaige Schadenersatzansprüche gegen den Minister
kraft konstitutiven Anerkenntnisses erlöschen.
Der zweite Abschnitt der Schrift gibt zu kritischen Bemerkungen
weniger Anlaß. Aufmerksam machen möchte ich auf die Ausführungen S. 58 f.
über den gnadenweisen Steuererlaß, die man bei bloßer Durchsicht des In-
haltsverzeichnisses wohl übersehen würde; der Verfasser, der übrigens den
üblichen Fehler mitmacht, zwischen den auf Nichtanwendung der steuer-
rechtlichen Normen gerichteten Willenserklärungen und dem Verzicht auf
die kraft dieser Normen bereits entstandenen staatlichen Geldansprüche
nicht zu unterscheiden (vgl. S. 60 Anmerkung 1), kommt zu dem Ergebnis,
daß in Preußen der gnadenweise Erlaß durch den König unbeschränkt und
mit rechtlicher Wirksamkeit gegen die Bedachten möglich ist, daß aber
das Recht der Volkvertretung auf Rechtfertigung seitens der verantwort-
lichen Minister unberührt bleibt, während im Reiche ein gnadenweiser Er-
laß nur auf Grund gesetzlicher Ermächtigung statthaft ist.
Vereinzelte Merkwürdigkeiten wie die Bezeichnung des
Deutschen Reichs als Typ des monarchistischen Konstitutionalismus (S. 7)
oder die wiederholte Bezeichnung der Volksvertretung mit den Worten
„der Gesetzgeber“ (8. 25) dürfen wohl mit einem „falschen Zungenschlag“
entschuldigt werden. Kormann.