Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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richter zur Verurteilung nur dann kommen kann, wenn er eine Pflicht- 
widrigkeit des Ministers feststellt. Eine solche aber liegt sicherlich nicht 
vor in denjenigen Fällen der vorhin bezeichneten zweiten Ausgabengruppe, 
wo die Ausgabe gesetzlich ermächtigt war und daher eine Verpflichtung 
zur Entlastung besteht. Aber auch in den Fällen, wo eine solche Ver- 
pflichtung sich bloß daraus ergibt, daß die gemachte Ausgabe eine not- 
wendige war, wird man von einer Pflichtverletzung nicht sprechen können, 
und es gehört daher zur Zuständigkeit des Zivilrichters auch die Prüfung 
der Frage, ob die fragliche Ausgabe eine notwendige war. Aus dem von 
mir (vgl. KoRMANN System der rechtsgeschäftlichen Staatsakte S. 199 f., 
244 f.) gegenüber der Ausdehnung der Zuständigkeit der ordentlichen Ge- 
richte so lebhaft verfochtenen Grundsatz der Verbindlichkeit der Ver- 
waltungsakte kann gegen dieses Ergebnis nichts entnommen werden, da 
dieser Grundsatz sich nur auf die Tatbestandswirkung (vgl. hierüber 
meine Besprechung von STEINS Schrift Grenzen und Beziehungen zwischen 
Justiz und Verwaltung in dieser Zeitschrift S. 253) der Entlastungserklärung 
bezieht, nicht aber auf die Feststellungswirkung (vgl.a. a. O.) der Erklärung 
der Volksvertretung, daß keine notwendige Ausgabe vorliege, zur Annahme 
einer solchen Feststellungswirkung aber mangels einer besonderen gesetz- 
lichen Vorschrift kein Grund vorliegt (vgl. STEIN a. a. 0.8. 104 f., 108). Eben- 
sowenig kann gegen das gewonnene Ergebnis daraus ein Gegengrund ent- 
nommen werden, daß umgekehrt das Gericht an eine erteilte Entlastung 
in deren Umfang gebunden ist; denn diese Bindung beruht darauf, daß 
durch die Entlastung etwaige Schadenersatzansprüche gegen den Minister 
kraft konstitutiven Anerkenntnisses erlöschen. 
Der zweite Abschnitt der Schrift gibt zu kritischen Bemerkungen 
weniger Anlaß. Aufmerksam machen möchte ich auf die Ausführungen S. 58 f. 
über den gnadenweisen Steuererlaß, die man bei bloßer Durchsicht des In- 
haltsverzeichnisses wohl übersehen würde; der Verfasser, der übrigens den 
üblichen Fehler mitmacht, zwischen den auf Nichtanwendung der steuer- 
rechtlichen Normen gerichteten Willenserklärungen und dem Verzicht auf 
die kraft dieser Normen bereits entstandenen staatlichen Geldansprüche 
nicht zu unterscheiden (vgl. S. 60 Anmerkung 1), kommt zu dem Ergebnis, 
daß in Preußen der gnadenweise Erlaß durch den König unbeschränkt und 
mit rechtlicher Wirksamkeit gegen die Bedachten möglich ist, daß aber 
das Recht der Volkvertretung auf Rechtfertigung seitens der verantwort- 
lichen Minister unberührt bleibt, während im Reiche ein gnadenweiser Er- 
laß nur auf Grund gesetzlicher Ermächtigung statthaft ist. 
Vereinzelte Merkwürdigkeiten wie die Bezeichnung des 
Deutschen Reichs als Typ des monarchistischen Konstitutionalismus (S. 7) 
oder die wiederholte Bezeichnung der Volksvertretung mit den Worten 
„der Gesetzgeber“ (8. 25) dürfen wohl mit einem „falschen Zungenschlag“ 
entschuldigt werden. Kormann.
	        
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