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lichen Brandversicherung S. 203 angeführten beiden Momente sind wohl
nicht so sehr charakteristisch. — Die Meinung, daß die Gleichstellung des
Staats und der öffentlichen Korporationen mit Privatpersonen im Zwangs-
vollstreckungsverfahren, wie sie durch $ 21 des württembergischen AG. zur
CPO. geschaffen ist, etwas dem württembergischen Recht eigentümliches
sei, trifft nicht zu, da es im gemeinrechtlichen Preußen sich ähnlich ver-
hält (vgl. KorMAnN a. a. O. S. 218.)
Im ganzen betrachtet stellt sich die Schrift von BÜHLER als eine
hervorragende Leistung dar, die sich ebenso durch sorgfältigsten Fleiß in
der Beschaffung des historischen Materials wie durch großzügige Erfassung
der leitenden Entwickelungstendenzen wie durch praktischen Blick in der
Entscheidung konkreter Rechtsfragen auszeichnet. Niemand, der,
für welches deutsche Partikularrecht auch immer,
wissenschaftlich das Verhältnis von Justiz und Ver-
waltung behandeln will, darf an ihr vorbeigehen.
Namentlich dem, dessen Blick getrübt ist durch einseitige Betrachtung der
preußischen und der ihr folgenden reichsrechtlichen, in zivilistischen Ge-
dankengängen befangenen, Gesetzgebung und Rechtsprechung, wird sich
eine neue Aussicht eröffnen, wenn er hier sieht, daß es einen deutschen
Staat gibt, in dem die Grenzen, die von unsern modernen Verwaltungs-
rechtslehrern als die natürlichen zwischen Justiz und Verwaltung gelehrt
werden, seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die siebziger Jahre
auch tatsächlich von der Gesetzgebung wie von der Praxis anerkannt wor-
den sind, in dem insbesondere die Zuständigkeit der Zivilgerichte nie in
erheblichem Maß auf Streitigkeiten des öffentlichen Rechts ausgedehnt
worden ist, weder durch bewußte Uebertragung von Verwaltungsgerichtsbar-
keit an die ordentlichen Gerichte — in dieser Beziehung bleibt es bei
einem sehr bemerkenswerten Versuch in den Verfassungsentwürfen von
1816 und 1817 —, noch dadurch, daß Wissenschaft und Praxis materiell
öffentlichrechtliche Verhältnisse als privatrechtliche betrachtet und aus
diesem Grund den Zivilgerichten zugewiesen hätten; seit der Reichsgrün-
dung ist ja freilich infolge des Eindringens der preußischen und reichs-
rechtlichen Einflüsse auch in Württemberg in dieser Beziehung manches
anders, d. h. vom Standpunkt der verwaltungsrechtlichen Wissenschaft aus
schlechter geworden, aber immerhin ist in Württemberg die unnatürliche
Ausdehnung der zivilrechtlichen Auffassung öffentlichrechtlicher Dinge, die
uns bei einseitiger Betrachtung des Preußischen und des Reichsrechts ja
leider fast schon natürlich erscheint, doch lange nicht soweit gegangen
wie hier. Insbesondere möchte ich, freilich ohne rechte Hoffnung, den
Wunsch aussprechen, daß BÜHLERs Untersuchung bei unserm Reichs-
gericht einige Leser fände; vielleicht kommen wir dann noch in absehbarer
Zeit dahin, daß, wenn einmal ein Untergericht, wie vor kurzem das preu-
ßische Kammergericht bei der Frage der rechtlichen Natur der kolonialen