— 294 —
Gewalt sind die einzigen rechtlichen Grundlagen für die Jugendfürsorge ;
eine Betätigung der städtischen Jugendfürsorge ist auf dem Gebiete der
jenen Gewalthabern zustehenden Jugendfürsorge nur möglich auf Grund
des Einverständnisses des betreffenden Gewalthabers, oder: Aufgabe der
städtischen Jugendfürsorge muß das Bestreben sein, der subjektiven und
objektiven Verwahrlosung der Jugend vorzubeugen.
Freilich führt dieser Grundsatz den Verfasser, wie zahlreiche andere,
in Jugendfürsorge tätige städtische Beamte, zu ungemein weitgehenden
Vorschlägen über die Ausdehnung der Zuständigkeit der städtischen Für-
sorgezentralen und über die Einschränkung und Ausschaltung der sonstigen,
in diesem sozialen Arbeitsgebiet bisher tätigen amtlichen und privaten
Stellen. Unter dem Schlagwort: die Schutz- und Erziehungsaufsicht über
Kinder und Jugendliche ist Hauptaufgabe der städtischen (von städtischen
Beamten im Hauptamte geleiteten) Fürsorgezentralen soll diesen neuen
Aemtern fast alle selbständige Sorge für das heranwachsende Geschlecht
zugewiesen, den caritativen Vereinigungen, den Gemeindewaisenräten und
Einzelpersonen jede Mitarbeit fast vollständig verschlossen werden ; ja selbst
das staatliche Vormundschaftsgericht wird dem städtischen Fürsorgebe-
amten, zum mindesten dem Berufsvormund gegenüber, seiner gesetzlich
festgelegten Ueberordnung, seiner Kontroil- und Zwangsbefugnisse entkleidet.
Es würde also, wenigstens in der Sorge für die Person des Jugendlichen,
an die Stelle der staatlichen Vormundschaftsgerichte mit ihren unabhängigen
auf Lebensdauer angestellten Richtern städtische Fürsorgeämter mit Be-
amten treten, die von einer dem parteipolitischen und zeitlichen Wechsel
unterworfenen Stadtverwaltung auf Dienstvertrag bestellt sind; die Aus-
schaltung der caritativen Vereinigungen und der privaten Einzelarbeit
würde eine Fülle aus Menschenfreundlichkeit und Liebe geborener Tätigkeit
zwecklos brach legen. Auf die ganz erhebliche finanzielle Belastung der
Städte soll nur kurz hingewiesen werden; Hamburg hat für sein städtisches
Fürsorgeamt ein Bureau von 70 Beamten außer dem Direktor, dem Rat
und den Inspektoren angestellt.
Abgesehen von diesen Bedenken ist der Bericht wertvoll, weil er die
Wege weist, die in den Städten eingeschlagen werden können und müssen,
um die für den Bestand unseres Volks so überaus wichtige Frage der Für-
sorge für die gefährdete oder von Verwahrlosung bedrohte Jugend erfolg-
reich zu lösen. Der umfangreiche Anhang von Satzungen, Ordnungen und
Gesetzen über Jugendfürsorgeeinrichtungen in Staaten und Städten bietet
lehrreiche Musterbeispiele für beabsichtigte Neuorganisationen auf diesem
umfangreichen Gebiete. Jugendstaatsanwalt Rupprecht-München.