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zu der „immanenten Ehrenklausel“ bekennt, solange sie, „geblendet von
einer vorgefaßten Meinung, nicht geneigt ist, den Gedanken aufzunehmen*
(vgl. Zorn 8. 23), mag es sich im Interesse des deutschen Vertragskredits
empfehlen, diese Klausel stets ausdrücklich in den Vertrag aufzunehmen.
Und wenn die Prisenhofkonvention deutscherseits ratifiziert werden sollte,
so darf dies unter den obwaltenden Umständen nur mit dem ausdrücklichen
Vorbehalt der Ehre und der Lebensinteressen geschehen. ErıcH KAUFMANN
(Kiel) sucht in seinem Buche „Das Wesen des Völkerrechts und die clausula
rebus sic stantibus“ (Tübingen 1911) ein Grundrecht der Staaten auf Selbst-
erhaltung nachzuweisen und kommt dabei zu ganz ähnlichen Ergebnissen
hinsichtlich der Ehrenklausel wie ZORN und ich. Ihm ist das Selbsterhal-
tungsrecht „die objektive Norm, an der alles internationale Verhalten der
Staaten gemessen werden kann und soll“ (S. 199); „die Selbsterhaltungs-
handlung ist nicht rechtswidrig“ (S. 200). Für KAUFMANN bezeichnet das
Selbsterhaltungsrecht „die Grenze, die allem völkerrechtlichen Vertrags-
rechte gezogen ist, mögen die kontrahierenden Staaten beim Vertragsschluß
auch noch so vorsichtig und sorgfältig alle Eventualitäten durchdacht haben“
(S. 204); „die notwendige Immanenz der Klausel in allen Verträgen muß
die Staaten zur größten Vorsicht und Sorgfalt beim Kontrahieren ermahnen*
(S. 204); „alle Staatsverträge haben als Verträge des Koordinationsrechtes
eine immanente Grenze: sie sollen und wollen nur binden, solange die
Macht- und Interessenlage, die zur Zeit des Abschlusses bestand, sich nicht
so ändert, daß wesentliche Bestimmungen des Vertrages mit dem Selbst-
erhaltungsrechte der kontrahierenden Staaten unvereinbar werden“ (S. 204).
Greifswald. Heinrich Pohl.
Argument of the honorable Elihu Root on behalf of the United States
before the North Atlantic Coast Fisheries Arbitration Tribunal at the
Hague, 1910, edited with introduction and appendix by James
Brown Scott of counsel for the United States, Boston, The world
peace foundation. 1912, CXXXXXI 523 S.
Das vorliegende Werk ist schon durch die Wichtigkeit des von ihm
behandelten Gegenstandes sehr bemerkenswert. Unter den großen Schieds-
fällen, die seit dem Alabamastreite die Aufmerksamkeit der Politiker und
Völkerrechtslehrer mehr und mehr auf das System der Schiedsgerichtsbar-
keit gelenkt haben, sind vor allem der Streit über die Behringmeerfrage
(erledigt durch Urteil vom 15. August 1893), derVenezuelastreitfall (erledigt
durch Urteil vom 3. Oktober 1899) und der Neufundlandstreitfall (erledigt
durch Urteil des Haager Hofes vom 7. September 1910) weithin bekannt
geworden. ‚Bei diesen Differenzen handelte es sich nicht nur um juristisch
äußerst interessante, sondern auch um politisch sehr schwierige Probleme.
Der Neufundlandstreit ist der jüngste dieser Fälle und dadurch besonders
bedeutsam, daß er das Ansehen des Haager Schiedsgerichtshofes in hervor-