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soweit sie nicht innerhalb der erwähnten Grenzen liegen. Aber es ist
nichtsdestoweniger vereinbart, daß die amerikanischen Fischer in diese Häfen
oder Buchten einfahren dürfen, um dort Havarıen auszubessern, Holz zu
kaufen oder Wasser zu erhalten, aber zu keinem anderen Zwecke. Sie
werden dabei den notwendigen Beschränkungen unterworfen werden, um
sie daran zu hindern, dort Fische zu fangen, zu trocknen oder zuzubereiten
oder in irgend einer Weise die ihnen durch den gegenwärtigen Vertrag
zugestandenen Privilegien zu mißbrauchen.“
In der Folgezeit entstanden über die Auslegung dieses Vertrages zahl-
reiche Streitigkeiten, die England und Amerika wiederholt in einen Krieg
zu verwickeln drohten. Schließlich übergaben die Parteien am 27. Januar
1909 dem Haager Schiedshofe den Streit zur Entscheidung. Jede Partei
sollte zwei Schiedsrichter, davon einen aus seinen Staatsangehörigen, wählen;
die vier Schiedsrichter sollten dann gemeinsam den Obmann bestimmen.
Es wurden bezeichnet von Amerika: der argentinische Staatsminister DRAGO
und der Oberrichter GRAY, von England der niederländische Staatsminister
DE SAVORNIN LOHMANN und der ÖOberrichter des kanadischen höchsten
Gerichtshofes FITZPATRICK. Diese wählten zum Obmann und Vorsitzenden
den durch seine Tätigkeit auf den Haager Friedenskonferenzen und seine
Teilnahme an mehreren Schiedsgerichten rühmlichst bekannten Professor
LAMMASCH aus Wien. Vor diesen ausgezeichneten Richtern plädierten die
berühmtesten Anwälte Englands und Nordamerikas. Von dem ameri-
kanischen Rechtsanwälten seien erwähnt der frühere Staatssekretär Elihu
Roo'r, dessen Plädoyer in dem hier zur Besprechung gelangenden Buche
enthalten ist, und JAMES BROwNn ScoTT, früherer vortragender Rat im
amerikanischen Ministerium, der die glänzende und lichtvolle Einleitung
zu dem vorliegenden Buche geschrieben hat. Amerika hatte insgesamt
sieben, England gar siebzehn Anwälte mitgebracht. An über vierzig Tagen
brachten diese ihre höchst interessanten Argumente, und zum Teil in
rhetorisch äußerst wirksamer Weise, vor. Einige sprachen etwa dreißig
Stunden. Wegen der großen Zahl der Teilnehmer reichte das Bureau des
Haager Schiedshofes als Sitzungssaal nicht aus, und deshalb verhandelte
man in dem Rittersaale, dem Schauplatze der zweiten Haager Friedens-
konferenz, wo ein zahlreiches internationales Publikum den Debatten folgte.
Es waren unendlich verwickelte Fragen, die sich im Laufe hundertjähriger
diplomatischer Verhandlungen ergeben hatten, und immerfort wurden die
Redner von den Fragen der Schiedsrichter unterbrochen, die sich in jedem
Stadium der Rede eingehend über alle Dinge, die ihnen nicht ganz klar
geworden waren, auf dem Laufenden hielten. Wenn uns von ScoTT in dem
vorliegenden Buche die gesamte Vorgeschichte des Prozesses wiedergegeben
wird, so hat diese Darstellung für die Wissenschaft deshalb besonderen
Wert, weil Scorr infolge seiner Teilnahme an dem Prozesse in erster Linie
hierzu berufen erscheint. Eine gute Karte, die wichtigsten Verträge und