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leisten will, eigentlich spezialisieren müßte. Schon das Gebiet der Haager
Friedenskonferenzen —, wohl der aktuellste und interessanteste Teil des
Völkerrechts — ist so groß, daß es die ganze Kraft eines Mannes erfordert.
Wie aber müssen alle diese wertvollen Spezialgebiete verkümmern, wenn
sie in einem Seminar erledigt werden müssen. Wir sehen also, daß die
Forderung nach der Begründung wenigstens eines völkerrechtlichen Semi-
nars auf jeder Universität eine unendlich bescheidene ist. Trotzdem
liegen die Verhältnisse so, daß wir froh sein müssen, wenn in den näch-
sten Jahren vielleicht an einer oder mehreren Universitäten völkerrecht-
liche Seminare errichtet werden.
STRUPPs Buch hat bereits in Italien Nachahmung gefunden. ATTILIO
FOCHERINI, der bereits verschiedene Studien auf dem Gebiete des inter-
nationalen Rechts herausgegeben hat, veröffentlichte 1912 ein 79seitiges
Buch „Problemi di diritto internazionale pubblico, per use degli studenti in
giurisprudenza e degli allievi alla carriera consolare e diplomatica“ (Carpie-
Emilia, Gualdi Germano e Figli). Im Vorworte weist er darauf hin, wie
er durch OPPENHEIMs und STRUPPs Uebungsbücher auch zu seinem Werke
veranlaßt worden ist. FOCHERINIs Buch ist ausgezeichnet, und sein einziger
Fehler ist wohl, daß darin die Probleme der Schiedsgerichtsbarkeit nicht
zur Geltung kommen. FOCHERINI gibt zu jedem Falle Literatur an. Auch
hat er im Gegensatze zu STrRrupp die sysematische Anordnung der Fälle
auch äußerlich hervorgehoben. Die Auswahl der Fälle bei FOCHERINI hat
mir sehr gefallen.
Düsseldorf. Hans Wehberg.
La Revolution etla questiond'orient, von Daehne van Varick,
docteur en droit, La Haye, Belinfante Freres, 1911, 51 S.
Jonkheer vAn DAEHNE VAN VARICK, der die Dokumente für die erste
Haager Friedenskonferenz im Auftrage der holländischen Regierung heraus-
gegeben und vor der zweiten Friedenskonferenz ein sehr gutes Buch über
„Le droit financier international“ veröffentlicht hat, versucht in der vor-
liegenden Schrift eine Lösung der orientalischen Frage von seinem Stand-
punkte aus zu geben. Der Verfasser möchte dem gesamten kultivierten
Europa wieder ein neues Ziel geben, das er in der Vertreibung der Türken
aus Europa erblickt. Nach diesem gemeinsamen Kreuzzuge gegen die
Türken soll ein Kollektivprotektorat über Syrien unter einem deutschen
Prinzen errichtet werden und dadurch das Heilige Land wieder in christ-
liche Hände kommen. Man wird verstehen, daß ich den Ideen des Ver-
fassers nicht folgen kann; aber im Hinblick auf die namentlich von
SCHÜCKING zuerst dargestellten Pläne von DuBo1s, PODEBRAD usw. ist es
hoch interessant festzustellen, daß diese seit Jahrhunderten immer wieder
aufgetauchten Projekte auch heute noch nicht aufgegeben sind. Abgesehen
von diesen eigentümlichen Grundideen enthält das Buch mancherlei inter-