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Vereinigten Staaten zu dem Antrag geführt, der III. Friedens-Konferenz die
Schaffung eines Welt-Bureaus im Haag — das gegenüber dem panameri-
kanischen mit Rücksicht auf die Monroe-Doctrin aber keine Kompetenzen
haben soll! — zu empfehlen. Mit diesem Plane beschäftigt sich PERRIN-
JAQUET „projet pour la creation d’un Bureau general international perma-
nent“ (p. 216—87). Gedacht ist dieses als Sammel- und Auskunftsstelle für
alle Dokumente völkerrechtlicher Natur, als Studien-Kommission zur Vor-
bereitung neuer Konferenzen und als Zentralinstanz aller vorhandenen
völkerrechtlichen Unionen, die nur als Departements figurieren sollen. Man
muß den — übrigens nicht mehr neuen und vor allem von NıppoLD schon
in den neunziger Jahren energisch verfochtenen — (Gedanken einer Aus-
kunfts- und Sammelstelle freudig begrüßen. Dagegen ist der Vorschlag
einer Studienkommission deshalb nicht bedenkenfrei, weil das Bureau — zu-
sammengesetzt aus einem periodisch sich versammelnden conseil directeur,
der aus sämtlichen im Haag akkreditierten Diplomaten unter dem Vorsitz
des Ministers des Auswärtigen und einem directeur general mit dem nötigen
Hilfspersonal zur Erledigung der laufenden Geschäfte bestehen soll — in
dieser Zusammensetzung, wie P. mit Recht betont, für die Bearbeitung vieler
Fragen ungeeignet erscheinen dürfte. Doch wäre es meines Erachtens einer
Prüfung wert, ob nicht die Bedenken, die sich aus dem Mangel des Vor-
handenseins von Spezialisten z. B. auf dem Gebiet des öffentlichen See-
rechtes ergeben, nicht evtl. durch Beiordnung von Sachverständigen (ich
denke hierbei als Analogon an die „nichtständigen“ durch besondere Kennt-
nis des nationalen Rechts ausgezeichneten Richter des thüringischen Ober-
verwaltungsgerichts) beheben ließe. Die Vereinheitlichung der bestehenden
Unionen wäre gleichfalls wünschenswert, nur dürfte sich als Sitz für das
Zentralbüro das in der neutralen Schweiz belegene Bern, in dem ohnedies
schon eine Reihe „Büros“ bestehen, mehr empfehlen als das im Krieg ver-
hältnismäßig exponierte Haag. —
Die Auffassung, daß das Wesen der Völkerrechtsgemeinschaft meta-
juristisch-naturrechtlich nicht erklärt werden kann, beginnt allmählich an
Anhängern zu gewinnen. Max HUBER hat vor einigen Jahren in einem
Aufsatz im Jahrbuch des öffentlichen Rechts die Anschauung bekämpft, die
das Völkerrecht auf die Staaten europäischer oder doch ihr nahestehender
Zivilisationen beschränken will; OTFRIED NiıproLD hat schon in seinem
„völkerrechtlichen Vertrag“ S. 11 und in einem Aufsatz in der Zeitschrift
für Völkerrecht und Bundesstaatsrecht (Jahrgang 1908 S. 456) dagegen Front
gemacht und insbesondere den Begriff des zivilisierten Staats als Tautologie
bezeichnet. Ihnen gesellt sich nun CAVAGLIERI zur Seite’. In seiner be-
? Die Abhandlung MAx HUBERs scheint er bei der Abfassung der Arbeit
nicht gekannt zu haben, wenigstens habe ich nirgends einen Hinweis auf
sie gefunden.