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Revue de droit international et de legislation com-
paree, Bd. XII (2ime serie), 1911, 672 p.
Die Entscheidung des Haager Schiedsgerichts in der Neufundland-
fischereifrage hat, der grundsätzlichen Bedeutung der Streitpunkte ent-
sprechend, in der „Revue“ zwei Bearbeitungen gefunden. Von ihnen
behandelt der Aufsatz von Taomas WıLLinGg BALcH „la decision de la
cour permanente d’arbitrage au sujet des p&cheries de l’Atlantique dans le
differend entre les Etats-Unis et l’empire britannique“ (p. 1—23) die Sen-
tenz mehr in Form einer Darstellung des status causae et controversiae
und der Bedeutung des Schiedsspruchs für die Fragen, die dem Gericht zur
Entscheidung unterbreitet worden waren. Weiter geht DE LOUTER „l’arbi-
trage dans le conflit americain concernant les pöcheries de l’Atlantique“
(p. 131—157). Für ihn haben die einzelnen konkreten Fragen, die in dem
Kompromiß enthalten sind nur sekundäre Bedeutung. Er behandelt sie
daher auch nur soweit, als es zum Verständnis unbedingt erforderlich ist.
Umso schärfer läßt er dafür die großen, in dem Schiedsspruch enthaltenen Prin-
zipien, die Ablehnung der Staatsservituten! und die Sanktionierung des Satzes,
daß Staatsangehörige niemals Rechte direkt aus einem Staatsvertrag ableiten
können, hervortreten. Letztere These, die, soviel ich sehe, in anderen Be-
sprechungen der Sentenz vom 7. September 1910 nicht beachtet worden
ist, bezeichnet er mit Recht als „tellement importante qu’elle merite d’etre
detachee de la sentence et debarassde de tout Element concret et fortuit.“
Ich muß ihm auch weiter darin vollkommen beitreten, wenn er der Ent-
scheidung in der Küstenmeerfrage keine prinzipielle, über den konkreten
Fall hinausreichende Bedeutung beimißt?. Eine andere Entscheidung des
Haager Schiedsgerichts behandelt v. HAmEL „les principes du droit d’ex-
tradition et leur application dans l’affaire Savarkar“ (p. 370—408). Bin ich
auch auf Grund erneuter eingehender Beschäftigung mit dem gesamten
Aktenmaterial des konkreten Tatbestandes nicht in allen Punkten der An-
sicht des Verfassers, so stimme ich ihm doch völlig darin bei, wenn er das
Schwergewicht auf die Entscheidung der Frage legt, welches der Endeffekt
ohne Hinzutritt der Unregelmäßigkeiten bei der Uebergabe des Flüchtlings
gewesen wäre.
Denn ihre Beantwortung führt zu der weiteren Erkenntnis, daß der
Gerichtshof gerade die Hauptfrage — wohl aus politischen Gründen? —
ı Vergl. auch die historische Studie von E. Nys, Revue p. 314—323:
les pretendues servitudes internationales.
? Noch schärfer von ihm ausgesprochen in einem Aufsatz im Gids,
1912, Nr. 2 „De toekomst van het volkenrecht“ (Separatabdruck S. 12), in
dem er sich besonders gegen die Verquickung von politischen Erwägungen
mit juristischen wendet.
® Vergl. ps LoUTER in dem sub. 1 zitierten Aufsatz 8. 11.