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der preußischen Staatsregierung bezüglich der Erhebung von Ab-
gaben von der Flußschiffahrt geändert, während in anderen Bundes-
staaten Handel und Industrie sich gerade mit auf Grund der Ab-
gabenfreiheit der Flußschiffahrt zu einer hohen Blüte entwickelt
haben. Die preußischen Interessen befinden sich wieder, ähnlich
wie im Jahre 1866, im Gegensatz zu den wirtschaftlichen Inter-
essen anderer Bundesstaaten. Um diesen Widerstand zu brechen,
hat die preußische Staatsregierung zu der Reichsgesetzgebung
ihre Zuflucht genommen und es durch die überwiegende Stellung
des preußischen Staates im Reiche durchgesetzt, daß die zwischen
ihr und anderen Bundesstaaten vor der Gründung des Deutschen
Reiches abgeschlossenen Staatsverträge, soweit sie hier in Frage
stehen, außer Kraft gesetzt sind. Dagegen werden die über die
Rhein- und über die Elbschiffahrt mit auswärtigen Staaten ge-
schlossenen Verträge in Art. VI des Gesetzes vom 24. Dez. 1911
ausdrücklich aufreeht erhalten.
Wie rechtfertigt sich diese verschiedene Behandlung der Staats-
verträge zwischen den deutschen Bundesstaaten und derjenigen
mit auswärtigen Staaten? Besteht der Unterschied in dem Ver-
tragsrecht oder gründet sich die verschiedene Behandlung nur
darauf, daß es für die deutschen Staaten, wenn die Reichsgesetz-
gebung die Verträge außer Kraft setzt, an einem Rechtsschutz
fehlt, die auswärtigen Staaten dagegen den völkerrechtlichen
Schutz für ihre Vertragsreehte genießen, ihre Rechte auf diplo-
matischem Wege und durch Erwirkung einer schiedsrichterlichen
Entscheidung, von anderen, weniger freundlichen Maßnahmen ab-
gesehen, zur Geltung bringen können ?
Eine dem Art. V des Gesetzes vom 24. Dez. 1911 wesentlich
gleiche Bestimmung findet sich bereits in dem von der preußischen
Staatsregierung im Jahre 1909 dem Bundesrat vorgelegten Ent-
wurf?. In der Begründung heißt es: „Als Vorgang (nämlich für
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2 Reichsanzeiger vom 13. März 1909.