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Das Bürgerliche Gesetzbuch läßt die Staatsverträge, welche
ein Bundesstaat vor dem Inkrafttreten desselben bezüglich der
darin behandelten Materien mit einem auswärtigen Staate getroffen
hat, unberührt (Art.56 E.G.), hebt also die bezüglichen Staats-
verträge der Bundesstaaten unter einander auf. Aber auch da ist
ein Einspruch eines Bundesstaates nicht erfolgt. Kein Bundes-
staat hat aus diesem Grunde gegen die Annahme des Bürgerlichen
Gesetzbuchs gestimmt. Ebenfalls war es sieher anzunehmen, daß
die Landtage der einzelnen Staaten tatsächlich mit jener Auf-
hebung einverstanden seien.
Die Begründung des preußischen Entwurfs läßt die Frage,
auf welche es grundsätzlich ankommt, vollständig unerwähnt. Es
handelt sich darum, ob nicht für die Reichsgesetzgebung gewisse
Schranken bestehen, ob sie nicht insbesondere aus höheren recht-
lichen Rücksichten wohl erworbene Rechte zu schonen hat, wenn
ihr auch formell die Befugnis zusteht, sich hierüber, wie über
alle anderen Schranken, hinwegzusetzen. Diese Frage ist eine
elementare. Es ist ausgeschlossen, daß die preußische Staats-
regierung selbige übersehen haben kann. Wenn hierüber ein
Zweifel bestehen könnte, so würde dieser durch die Verhandlungen
über das Privilegium der Landesfürsten bezüglich der Wertzuwachs-
steuer beseitigt. Gegen die Anträge in der Reichstagskommission,
welche ein derartiges Privilegium in das Gesetz nicht aufnehmen
wollten, hat sich insbesondere auch ein Kommissar der preußischen
Staatsregierung ausgesprochen, indem er die Ansicht vertrat, daß
der Reichsgesetzgebung bezüglich der Heranziehung der Landes-
fürsten zu den Steuern Schranken gesetzt seien, die sich aus dem
Wortlaut der Reichsverfassung nicht ergeben.
Die Motive des preußischen Antrags haben den Standpunkt,
welchen ‚die Reichsgesetzgebung bezüglich der Ansprüche des
Hohenzollernschen Fürstenhauses bis dahin eingenommen hatte,
mit Stillschweigen übergangen. Man kann dieses nur daraus er-
klären, daß das preußische Staatsministerium diesen Standpunkt