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keinen Unterschied begründe, ob die Verträge der Einzelstaaten
vor oder nach ihrem Eintritt in den Bund abgeschlossen seien,
ist unrichtig. LABAND bespricht an der angeführten Stelle nur die
Verträge, die nach dem Eintritt in den Bund geschlossen sind.
Nun handelt es sich aber hier gerade um Verträge, die vor der
Gründung des norddeutschen Bundes oder des Reiches geschlossen
sind. Die von LABAND besprochenen kommen nicht in Betracht.
In einer Anmerkung bei LABAND heißt es: „Derselbe Grundsatz
(nämlich des Art. 2 RV.) greift Platz, wenn das Reich über einen
Gegenstand einen Staatsvertrag abschließt, hinsichtlich der über
denselben Gegenstand mit den auswärtigen Staaten geschlossenen
Verträge der Einzelstaaten. Ob die Verträge der Einzelstaaten
vor oder nach ihrem Eintritt in den Bundesstaat abgeschlossen
sind, macht in dieser Beziehung keinen Unterschied. Der Grund-
satz des Art. 2 RV. deckt beide Fälle.“ — Um einen solchen
Fall handelt es sıch hier nicht, es kommt also auch nieht darauf
an, ob die hier geäußerte Ansicht von LABAND unbedingt richtig
ist, oder ob man sie etwa dahin beschränken muß, regelmäßig sei
anzunehmen, daß, wenn das Reich mit einem auswärtigen Staat
einen Vertrag über einen Gegenstand schließe, über welchen bereits
Verträge zwischen diesem auswärtigen Staat und einzelnen Bundes-
staaten bestehen, die letzteren außer Kraft treten sollen.
Was die von dem Kommissar erwähnten Reichsgerichtsurteile
anlangt, so heißt es in demjenigen des I. Strafsenats*: „Die in das
Gebiet der Gesetzgebung eingreifenden Bestimmungen des Staats-
vertrags gelten, was ihre verbindliche Kraft als Rechtsnormen für
das Inland betrifft, nach den für die Gesetze im allgemeinen gül-
tigen Regeln; sie können daher insoweit (unbeschadet der Frage,
welche Folgen sich hieraus für das Verhältnis von Staat zu Staat
ergeben) auch durch die Gesetzgebung geändert werden.“ — Wie
sich dies von selbst versteht, hat der I. Strafsenat die Frage, worauf
“RG. St. 4, 8. 274.