Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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tungen lossagen, ohne eine Einbuße an Ansehen und Vertrauen im 
völkerrechtlichen Verkehr zu erleiden. Dieses hat in neuerer Zeit 
zu der Praxis geführt, streitige Vertragsansprüche der Staaten 
untereinander einem Schiedsgerichte zu überweisen. Kein Staat 
wird sich jetzt leicht einem schiedsrichterlichen Verfahren ent- 
ziehen können, wenn der andere Teil zur Feststellung streitiger 
Vertragsrechte auf dasselbe provoziert. Was das Verhältnis der 
deutschen Bundesstaaten untereinander zur Zeit des deutschen 
Bundes anlangt, so bestimmte Art. 11 der Bundesakte von 1815, 
daß die Bundesglieder sich verbindlich machten, ihre Streitigkeiten 
untereinander bei der Bundesversammlung anzubringen, und daß 
diese dann, wenn ein Vermittlungsversuch fehlschlagen sollte, eine 
Entscheidung durch eine Austrägalinstanz herbeizuführen habe, 
Die Bundesversammlung hatte nicht das Reeht der Gesetzgebung. 
Sie war auch formell nicht befugt, Staatsverträge der Bundes- 
glieder außer Kraft zu setzen. Ein Bundesglied hatte also einen 
vollständigen Rechtsschutz für ein Recht, welches ein anderes 
Bundesglied ihm durch einen Vertrag gewährt hatte. Die Rechte 
aus den Schiffahrtsverträgen über den Rhein, die Elbe und die 
Weser konnten einem Bundesstaat in keiner Weise entzogen 
oder geschmälert werden. Welcher Grund liegt nun vor für die 
Ansicht, daß dieser Rechtszustand durch die Verfassung des Nord- 
deutschen Bundes oder des Deutschen Reiches eine Aenderung er- 
fahren haben sollte? Gewiß, es ist richtig, daß der Norddeutsche 
Bund oder jetzt das Deutsche Reich befugt ist, durch seine Gesetz- 
gebung sich über ein Vertragsrecht eines Bundesstaats, wie über 
irgend ein anderes Recht, hinwegzusetzen. Insofern ist der frühere 
Rechtsschutz geschmälert oder verloren gegangen. Aber eine der- 
artige Hinwegsetzung bleibt immer rechtswidrig, denn die Gesetz- 
gebung ist verpflichtet, wohl erworbene Rechte zu respektieren. 
Die Verfassung des Norddeutschen Bundes oder des Deutschen 
Reiches enthält keine Bestimmung, welche dahin ausgelegt werden 
könnte, daß die einzelnen Bundesstaaten irgend etwas von ihren 
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